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Wilhelm Bäumer


Foto ÖIAV 1872

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 18.04.1829 - † 04.11.1895
Geschlecht: m
Geburtsort: Ravensburg
Land: Deutschland
damaliger Name: Königreich Württemberg
Sterbeort: Straßburg
Land: Deutschland
Titel: Prof.
weitere Namen: Baeumer
Religionsbekenntnis: unbekannt
Berufsbezeichnung: Architekt
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Polytechnische Schule Stuttgart
1854Ecole des Beaux Arts, Paris
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1858–1870Professor am Polytechnikum Stuttgart
1863Gründung der Zeitschrift „Gewerbehalle“, Zeitschrift für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunst-Industrie
1869Vorstandder neu gegründeten Kunstschule in Stuttgart
o.J.Direktor am Polytechnikum in Karlsruhe
o.J.Gründung der gewerblichen Fortbildungsschule in Bad Freiersbach
ca.1884Privat-Dozent an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg
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Auszeichnungen und Ämter
1877Mitglied der Jury des NÖ Gewerbevereins bei dem Wettbewerb für Rauchutensilien
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Mitgliedschaften
1871–1878Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens
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Vita
Wilhelm Bäumer – er selbst schrieb sich häufig Baeumer – wurde im Jahr 1829 in Ravensburg im damaligen Königreich Württemberg geboren. Über seine familiäre Herkunft ist nichts bekannt. Er studierte zunächst in Stuttgart am Polytechnikum und durchlief einige Praxisjahre in verschiedenen Baubüros, möglicherweise um seine weiteren Studien zu finanzieren, die er ab 1854 in Paris, an der Ecole des Beaux Arts fortsetzte. Bäumer war ein guter Student und erhielt etliche Auszeichnungen und Ehrungen, so dass man in Stuttgart auf ihn aufmerksam wurde und ihm 1858 eine Professur am Polytechnikum übertrug. In dieser Funktion unternahm er zahlreiche Exkursionen und die von den Studenten angefertigten Bauaufnahmen gab er als „Architektonische Reiseskizzen“ heraus.

Im Jahr 1863 gründete Bäumer mit dem Zeichner Julius Schnorr die Zeitschrift „Gewerbehalle“, mit der er die Absicht verfolgte, dem „Grundgesetz des Schönen“ im Bereich der industriellen Fertigung von Gebrauchsgegenständen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Zeitschrift, die in sechs Sprachen übersetzt wurde, bietet wie ein Musterbuch eine Fülle von Beispielen für Ornamente sowie Entwürfe von kunstgewerblichen Gegenständen, wie etwa Leuchter, Türbeschläge, Möbel, Essbestecke, verschiedenste Ziergegenstände etc. Aber auch ein von Wilhelm Bäumer entworfenes Gartenhäuschen findet sich in dieser Zeitschrift. Ergänzt werden die Musterzeichnungen durch Aufsätze von ihm selbst sowie von anderen namhaften Fachmännern zu diversen fachspezifischen Themen. Bäumers Interesse am Kunstgewerbe bewirkte auch, dass er sich namhaft für die Gründung einer Kunstgewerbeschule in Stuttgart einsetzte.

Im Jahr 1869 wurde Bäumer von der Baudirektion der Nordwestbahn eingeladen, auf einem Teil des Geländes des Augartens im 2.Wiener Bezirk ein Projekt für die Errichtung des Personenbahnhofes der Nordwestbahn zu erstellen. Bäumer legte im Jahr 1870 die Pläne für den Nordwestbahnhof vor (nicht zu verwechseln mit dem Nordbahnhof – beide Bahnhöfe sind nicht erhalten), und nachdem sie von der Baudirektion mit Zustimmung aufgenommen worden waren, verlegte Bäumer seinen Wohnsitz nach Wien, wo im gleichen Jahr mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Während seines Aufenthalts in Österreich entwickelte er neben der Bauaufsicht bei der Errichtung des Bahnhofs auch im Wohnbau eine umfangreiche Tätigkeit. Er erbaute in Wien den großen Wohnhauskomplex im 2.Bezirk, Heinestraße 41 / Praterstern 1 / Kleine Stadtgutgasse 12 und 14 (1872–1875) sowie einige Villen im Umfeld Wiens und auch in Kärnten.

Nach der Fertigstellung des Bahnhofs ging Bäumer wieder nach Stuttgart zurück, wo er einige Jahre als Privatarchitekt tätig war, bevor er die Direktorenstelle am Polytechnikum in Karlsruhe erhielt. Seine unermüdliche Tätigkeit griff Bäumers Gesundheit allerdings erheblich an und er sah sich veranlasst, diese Anstellung bereits ein paar Jahre später zu kündigen. Im Schwarzwald, Bad Freiersbach, suchte er Erholung, konnte aber offensichtlich nicht untätig bleiben, denn er gründete dort während seines Kuraufenthalts eine gewerbliche Fortbildungsschule.

Im Jahr 1884 ließ sich Wilhelm Bäumer endgültig in Straßburg nieder, wo er als Privatdozent kurze Zeit Vorlesungen an der Universität hielt und bis zu seinem Tod im 66.Lebensjahr auch als Architekt und Zeichenlehrer wirkte.
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Stellenwert
Wilhelm Bäumer gilt als typischer Vertreter des strengen Historismus, eine stilistische Gestaltungsweise, die ungefähr mit der Verbauung der Ringstraße ihren Anfang nahm. Das Formenvokabular wurde aus den Stilen der Vergangenheit gewonnen und zu neuen Kreationen verarbeitet, wobei jedoch Stilgemische abgelehnt wurden. Gleichzeitig erlangte auch der Begriff der „Monumentalität“ große Bedeutung. D.h., den neu zu errichtenden Gebäuden sollte durch eine großzügige, künstlerisch hochstehende und möglichst „stilgetreue“ Gestaltung quasi Ewigkeitswert verliehen werden.

Wilhelm Bäumer hat bei seinem Hauptwerk, dem Nordwestbahnhof, in Anlehnung an italienische Palazzi auf Formen der Renaissance zurückgegriffen und durch deren Modifikationen ein imposantes, tatsächlich monumentales und viel beachtetes Bauwerk geschaffen. Die lange Hauptfassade war durch unterschiedlich hohe Risalite symmetrisch gegliedert und der mittig gelegene Haupteingang durch Arkaden, ein großes, halbrundes Fenster und eine Giebelüberdachung hervorgehoben. Zur Nobilitierung des Gebäudes erhielt die Abfahrtsseite eine großräumige halbrunde Vorhalle, die mit allegorischen Figuren (von Franz Melnitzky) der Städte, die mit der neuen Bahnlinie erreicht werden konnten, bekrönt wurde. Die äußere Eleganz des Gebäudes setzte sich im Inneren fort. Kassettierte Decken, reiche Wandmalereien bzw. Tapeten und Pilaster zierten die Wände. So wie auch die exquisiten Beleuchtungskörper wurde die gesamte Innenausstattung von Wilhelm Bäumer in einheitlichem Stil entworfen.

Auch den imposanten Wohnhauskomplex in Wien 2, der sich über mehrere Parzellen erstreckte, gestaltete Bäumer in Neorenaissanceformen, wenngleich die Fassadengestaltung wesentlich schlichter als beim Nordwestbahnhof gehalten ist. Bemerkenswert ist die Ecklösung, bei der Bäumer einen runden Turm gleichsam als Gelenk zwischen die aneinanderstoßenden Fassaden setzte.

Im Villenbau bewies Bäumer, dass auch die Architekten des strengen Historismus für diese Bauaufgabe eine romantische Gestaltung bevorzugten, denn die Villen sind äußerst malerisch konzipiert. Zumeist erhielten sie einen Turm, stets jedoch großzügige Terrassen, welche die Verbindung zu den umliegenden Gärten herstellten.

Wilhelm Bäumers Leben war von großem beruflichen Einsatz geprägt. Er war nicht nur ein einfallsreicher Baukünstler, sondern auch ein talentierter Pädagoge und zudem mit organisatorischem Geschick ausgezeichnet, so dass er einen nicht unwesentlichen Anteil an der Entwicklung des Architekturgeschehens in der zweiten Hälfte des 19.Jh.s hatte.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1847Villa Pongratz in Veldes, Oberkrain / Bled, SlO
1862–1864Damaszener Halle in der Parkanlage der „Wilhelma“ für König Wilhelm I. v.Württemberg in Cannstatt, D
1872–1875Wohnhaus Freiherr L.v.Haber, Wien 2, Kaiser-Josefstraße 41 (=Heinestraße) / Praterstern 1 / Kleine Stadtgutgasse 12 und 14
um 1875Villa Gross in Korneuburg, NÖ
um 1875Villa Mitscha in Hadersdorf an der k.k. pr. Elisabeth-Westbahn, NÖ
um 1879Villa des Herrn Bucher am Wörther-See bei Klagenfurt, Ktn.

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1868Kursaal im Fürstenbau in Bad Imnau, D
1870–1873Wiener Nordwestbahnhof (ausgeführt von Theodor Reuter, nicht erhalten)
1873–1875Verwaltungsgebäude der Hüttenberger Eisenwerks-Gesellschaft, Klagenfurt, Arnulfplatz 1, Ktn (heute Landesregierungsgebäude)
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
[W. Bäumer]: Aufnahmen und Skizzen der Architektur-Schule in Rothenburg o.d.T. unter Wilhelm Bäumer. 1869
W. Bäumer: Das bürgerliche Wohnhaus bei den Griechen und Römern, im deutschen Mittelalter, im 16.,17.,18. und 19.Jh. Stuttgart 1862
W. Bäumer: Das ehemalige Lusthaus in Stuttgart. Stuttgart 1869
[W. Bäumer]: Der Nordwest-Bahnhof in Wien. In ABZ 38.1873, S.8ff, Abb.1ff
[W. Bäumer]: Villa Pongratz in Veldes, Oberkrain. In: ABZ 39.1874, S.32, Abb.32ff
[W. Bäumer]: Villa Gross in Korneuburg. In: ABZ 40.1875, S.25, Abb.11ff
[W. Bäumer]: Villa Mitscha in Hadersdorf an der k.k.pr. Elisabeth-Westbahn. In: ABZ 40.1875, S.41, Abb.40f
W. Bäumer: Über römische Bäder der alten und neuen Zeit. Festschrift zur Feier des 400-jährigen Bestandes der Eberhard Karls-Univ. Tübingen. Wien 1877
[W. Bäumer]: Villa des Herrn Bucher am Wörther-See bei Klagenfurt. In: ABZ 44.1879, S.46, T.38
[W. Bäumer]: Mittheilung über die sogenannten Schilfbretter. Von Dr. Wilhelm Bäumer, Privat-Dozent der Architektur und Baukonstruktionen an der Kaiser Wilhelms-Universität in Strassburg. In: ABZ 55.1890, S.23
[W. Bäumer]: Die Ausstellung der deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft zu Strassburg 1890. In: ABZ 56.1891, S.93, Abb.78ff

VORTRÄGE:
W. Bäumer: Marmor und Mosaik in der Architektur. Vortrag, gehalten im Saale des Niederösterreichischen Gewerbevereins am 8.Februar 1875. In: Wochenschrift des Niederösterreichischen Gewerbevereins 1875
W. Bäumer: Ueber römische Bäder. Vortrag, gehalten im österr. Museum für Kunst und Industrie. In: ABZ 42.1877, S.39,45, Abb.32ff
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Sekundärquellen

LITERATUR:
W. Housselle: Ueber Kopfstationen. In: Deutsche Bauzeitung 6.1872, S.4f
H. Fillitz (Hg.): Der Traum vom Glück (Ausst.Kat.) Wien 1996, S.570
P. Kortz: Wien am Anfang des 20.Jh.s. 2 Bde. Wien 1906
R. Waissenberger: Wiener Nutzbauten des 19.Jahrhunderts als Beispiele zukunftweisenden Bauens. Wien 1977
R. Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19.Jh. Wien 1970

HINWEISE AUF WERKE:
Wiener Neubauten
Bd.1, Bl. 56ff (Wien 2, Kaiser-Josefstraße 41 (=Heinestraße) / Praterstern 1 / Kleine Stadtgutgasse 12 und 14)

NACHSCHLAGEWERKE:
C.v.Lützow / L. Tischler: Wiener Neubauten. 3 Bde. Wien 1876–1891

LEXIKA:
AKL; ThB; ÖKL
I. Rucki / D. Huber (Hg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20.Jh. Basel 1998
M. Bach: „Bäumer, Wilhelm“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 46 (1902), S.258–259 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd138683077.html

INTERNETLINKS:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wien_Nordwestbahnhof
http://www.deutsche-biographie.de/pnd138683077.html
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Anmerkungen
Im ÖKL teilweise irrige Angaben. In der Neuen Deutschen Biographie spricht der Autor fälschlich vom Nordbahnhof. In etlichen Quellen steht, dass Bäumer bei einer Konkurrenz für den Nordwestbahnhof den 1. Preis erhalten habe. Er selbst berichtet, dass er direkt von der Baudirektion des NWB zur Erstellung von Plänen beauftragt wurde.
Eingegeben von: Inge Scheidl
Eingegeben am: 01.03.2011
Zuletzt geändert: 26.07.2011
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