Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Otto Koellreutter

Otto Koellreutter

geboren: 26. November 1883 Freiburg
gestorben: 23. Februar 1972 Freiburg
Konfession: evangelisch
Vater: Dekan und Stadtpfarrer

Otto Koellreutter

Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums studierte Koellreutter Rechtswissenschaften an den Universitäten Rom, Grenoble, Berlin und Freiburg. Studienreisen führten ihn nach England. 1905 wurde er Rechtspraktikant. 1908 promovierte er mit der Dissertation »Richter und Master. Ein Beitrag zur Würdigung des englischen Zivilprozesses« an der Universität Freiburg zum Dr. jur. 1909 wurde Koellreuter zum Regierungsassessor ernannt. 1913 habilitierte er sich an der Universität Freiburg. Während des Ersten Weltkrieges diente Koellreuter an der Westfront, zuletzt als Hauptmann (ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse, dem Ritterkreuz des Zähringer Löwens sowie dem Ritterkreuz des Karl-Friedrich-Verdienstordens). 1918 erhielt Koellreutter den Professorentitel, 1920 wurde er als Extraordinarius an die Universität Halle berufen. Die Ernennung zum ordentlichen Professor für Staats- und Verwaltungsrecht erfolgte ebenfalls 1920. 1921 nahm er einen Ruf an die Universität Jena an, ab 1923 war er als nebenamtlicher Richter am Thüringer Oberverwaltungsgericht tätig. Bereits in der Zeit der relativen Stabilität der Republik artikulierte Koellreutter deutliche Vorbehalte gegenüber dem demokratischen System, insbesondere gegenüber dem »Parteienstaat«. Er plädierte für eine weitergehende Zentralisierung und Stärkung der Macht des Reichspräsidenten sowie für eine Veränderung des Wahlrechts nach britischem Muster (»Der deutsche Staat als Bundesstaat und als Parteienstaat«, 1927). 1930 vertrat Koellreutter das nationalsozialistisch regierte Thüringen vor dem Staatsgerichtshof, als das Reich die Zuschüsse für die Landespolizei strich. Grund war die Aufnahme von Nationalsozialisten in die Reihen der Polizei, das Reich gab in dieser Frage nach. Gewissermaßen als »Parteijurist« ausgewiesen, wurde Koellreutter auf Druck der NSDAP im Oktober 1933 – ohne Beteiligung der Fakultät – auf das staats-, verwaltungs- und kirchenrechtliche Ordinariat an der Universität München berufen. Bereits 1934 wurde er zum stellvertretenden Dekan ernannt, da die NSDAP, wie Helmut Böhm schreibt, in ihn »große Hoffnungen setzte«. Als Angehöriger des Disziplinarausschusses der Universität München ging er jedoch auch gegen NS-Studenten vor, die den »Hochschulfrieden« störten. Insgesamt enttäuschte Koellreutter nicht, seine Vorlesung über »allgemeine Staatsrechtslehre« war als Vorlesung zur »poltischen Erziehung der Studentenschaft« angekündigt, Lehrveranstaltungen emeritierter Professoren verhinderte Koellreutter, da er sie nicht für geeignet hielt, »als Einführung in das politische Denken unserer Zeit zu dienen.« Staatsphilosophie sollte nur von jenen gelesen werden, deren »politische Grundhaltung eindeutig nationalsozialistisch ist«. Ein Staatsrechtliches Institut müsse, so Kollreutter, ein »politisches Institut« sein, es gelte, sich – im »Sinne des nationalsozialistischen Staatsgedankens« – von der »liberalen Ideologie« zu lösen. Entsprechend gelobte Koellreutter in seiner Festrede zur Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1934 dem »Führer des Neuen Deutschland« »treue und unverbrüchliche Gefolgschaft«. Entsprechend waren seine Publikationen gehalten (»Leviathan und totaler Staat« 1938). Von 1935 bis 1937 setzte Koellreutter als Dekan den Umbau der Fakultät im nationalsozialistischen Geist fort, obwohl er dabei in Gegensatz zur Fakultätsmehrheit geriet. Ein Aufenthalt in Japan 1938/39 schlug sich in zahlreichen Publikationen nieder (»Der heutige Staatsaufbau Japans« (1941), »Die politische Entwicklung im heutigen Japan« (1944). Koellreutter entwickelte in den Kriegsjahren eine, wie Böhm schreibt, »zunehmend kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus«, blieb jedoch einer seiner maßgeblichen Staatsrechtler. Zu dieser Distanz mag beigetragen haben, dass ein angeheirateter Onkel Koellreutters in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Koellreutter setzte sich 1944 beim Gauleiter Wiens, Baldur von Schirach, für den Onkel und dessen Frau ein, da das Verbleiben des hochbetagten Ehepaars wohl keine »Gefahr für den nationalsozialistischen Staat« bedeute. Koellreuter musste sich folgerichtig »judenfreundliche Absichten« vorwerfen lassen und war massiver Kritik seitens des Wissenschaftsministeriums ausgesetzt. Das Ehepaar überlebte. 1945 amtsenthoben, wurde Koellreutter inhaftiert und erst 1949 entnazifiziert. Laut Kürschners Gelehrtenkalender wurde er 1949 in den Ruhestand versetzt und 1952 formal emeritiert. 1953 publizierte er die Monographie »Deutsches Staatsrecht«, 1955 eine »Staatslehre im Umriss«. Außerdem veröffentlichte Koellreutter über Grundfragen des Verwaltungsrechts, sowie Aufsätze zur politischen Treupflicht des Berufsbeamtentums (1951) und kommentierte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes in der Zeitschrift »Die öffentliche Verwaltung«.

Organisationen: 1921 bis 1926 Stahlhelm; 1928 bis 1930 DVP; 1933 Eintritt in die NSDAP (Mitglied Nr. 2 199 595), SA-Reserve II

Quelle: Böhm, S. 163, 247, 275, 610; Kürschner, Detlev Heiden, Gunther Mai, Thüringen auf dem Weg ins »Dritte Reich«, Weimar o. J., S. 103; Heiber, Teil 1, S. 222; Informationen von Helga Schimmer (Mannheim); BA R 4901/13268

Bild: Helga Schimmer (Mannheim).

Autor: HE

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