Darsteller, Regie, Regie-Assistenz, Drehbuch, Schnitt, Ton, Produzent
Bonn Hamburg

Biografie

Klaus Wildenhahn wurde am 19. Juni 1930 als einziges Kind von Max Wildenhahn und Nora Wildenhahn geb. von Sochatzki in Bonn geboren. Die Familie zog häufig um und ließ sich schließlich in Berlin nieder. Wildenhahn ging ab 1940 auf das Herrnhuter-Internat im niederschlesischen Niesky. Noch vor Kriegsende verließ der Vater die Familie, und der Junge kehrte nach Berlin zu seiner Mutter zurück, die als Krankenschwester arbeitete. Am Arndt-Gymnasium Dahlem legte er 1949 sein Abitur ab, um im Anschluss Soziologie und Publizistik an der Freien Universität zu studieren. Für ein Jahr verschlug es ihn zudem in die Vereinigten Staaten, wo er in Hamilton, NY, als Stipendiat an der renommierten Colgate University Politische Wissenschaften studierte. Wildenhahn brach sein Studium 1953 jedoch ab und begann 1954 als Krankenpfleger im Banstead Hospital, einer Nervenheilanstalt im heutigen Londoner Stadtbezirk Sutton, zu arbeiten. Als Ausgleich zum aufreibenden Alltag der Psychiatrie schrieb er Gedichte und lernte Japanisch. So lernte er die Japanerin Mizuki Inai kennen, die er heiratete und mit der er einen Sohn und später eine Tochter bekam.

1959 kehrte er schließlich nach Deutschland zurück, wo es allerdings nicht leicht war, ohne Abschluss und Ausbildung Fuß zu fassen. Mit Hilfe eines Freundes gelang es Wildenhahn schließlich, einen Job bei der ARD-Fernsehlotterie "Ein Platz an der Sonne" in Hamburg zu bekommen. Er arbeitete dort bei der Produktion von über dreißig Lotterie-Werbespots mit und machte sich so mit Aufnahme- und Filmtechnik vertraut, die er für seine spätere Arbeit als Filmemacher brauchen würde. Von der Fernsehlotterie wechselte er schließlich als Realisator in die Redaktion der Abteilung Zeitgeschehen des 1960 gegründeten kritischen NDR-Magazins "Panorama". Wildenhahn arbeitete sich dort über das Editieren von Beiträgen unter anderer Regie an eigene politische Reportagen wie "Der merkwürdige Tod des Herrn Hammarskjöld" (1961) heran.

Im Rahmen dieser Tätigkeit beschäftigte sich der Filmemacher intensiv mit dem Dokumentarfilm und legte 1964 den ungeplant bei einer Reportage entstandenen "Parteitag 64" vor, in dem er mit den ungewöhnlich langen Einstellungen von Kameramann Rudolf Körösi als einer der ersten seiner Art in Deutschland nach den Methoden des "Direct Cinema" arbeitete, wie sie 1960 erstmals von Drew, Leacock, Maysles und Pennebaker in ihrem Dokumentarfilm "Primary" (US), der ebenfalls einen Parteikongress zum Thema hatte, eindrucksvoll angewandt wurden. Auch im Verzicht auf künstliche Beleuchtung, vorkonzipierte Arrangements und belehrenden Kommentar sowie im Einsatz von direktem Ton und Handkamera stand Wildenhahn in einer Linie mit der Herangehensweise seines Vorbilds Richard Leacock. Wenngleich so eine Unmittelbarkeit des Geschehens und Authentizität suggeriert wurde, hatte die radikale Abkehr von den Konventionen der üblichen TV-Doku-Formate jedoch zur Folge, dass der Film vom NDR nicht ausgestrahlt und von den Westdeutschen Kurzfilmtagen zurückgezogen wurde. "Parteitag 64" lief erst 17 Jahre später gekürzt im Fernsehen.

Nichtsdestotrotz wurde Wildenhahn noch 1964 festangestellter Dokumentarfilmregisseur der Hauptabteilung Fernsehspiel unter der Leitung von Egon Monk. Dort realisierte er nach "Direct Cinema"-Prinzipien Dokumentarfilme, in denen er sich häufig mit musikbezogenen Themen auseinandersetzte, so zum Beispiel in der Filmreihe "Smith, James O." (1965-66), die unter anderem Konzerte des Jazzorganisten Jimmy Smith begleitete, dem Komponisten-Porträt "John Cage" (1966) und in "498, Third Avenue" (1967) über den Choreographen Merce Cunningham. Zuvor hatte er sich in "Bayreuther Proben" (1965) bereits der Oper gewidmet. Für Kamera und Ton zeichneten hierbei stets seine Weggefährten Rudolf Körösi und Herbert Selk verantwortlich. Ab 1967 begann der Filmemacher, sich der unverblümten Betrachtung der deutschen Provinz zu verschreiben. Sein Film "In der Fremde", der eine Kolonne Saisonarbeiter begleitet und von Konflikten auf einer Großbaustelle berichtet, feierte seine Premiere auf den Oberhausener Kurzfilmtagen und wurde von der Kritik äußerst positiv aufgenommen.

Von 1968 bis 1972 wurde Klaus Wildenhahn dann als Dozent an die Film- und Fernsehakademie Berlin berufen. Dort gründete er mit gleichgesinnten Filmemachern, darunter Michael Busse, Gisela Tuchtenhagen, Gardi Deppe, Rolf Deppe, Thomas Mitscherlich, Cristina Perincioli und Hans Helmut Prinzler, die "Gruppe Wochenschau". Im kollektivistischen Arbeiten entstanden so präzise Beobachtungen zur zeitgenössischen politischen Situation, die in einer Reihe von "Wochenschauen" auf den Kurzfilmtagen Oberhausen 1970 uraufgeführt wurden. Weiterhin recherchierte der Regisseur mit einigen Studierenden zu einem historischen Arbeiteraufstand und setzte das Ergebnis filmisch um. Das Projekt wurde als Kurzfilmreihe unter dem Titel "Der Hamburger Aufstand Oktober 1923" bei den Mannheimer Filmfestspielen 1971 erstmals gezeigt. Als Resultat seiner Arbeit an der Filmhochschule entstand 1972 zudem Wildenhahns erstes Buch zur Theorie und Methode des bundesdeutschen Dokumentarfilms, das 1975 veröffentlichte "Über synthetischen und dokumentarischen Film", das mittlerweile als Standardwerk gilt.

Nach seiner Rückkehr nach Hamburg im Jahr 1972 arbeitete der Regisseur verstärkt mit Gisela Tuchtenhagen zusammen, die er an der DFFB kennen gelernt hatte und die seine Mitautorin und Kamerafrau wurde. Die beiden Filmemacher, die zeitweise auch privat liiert waren, arbeiteten im kleinstmöglichen Team – Wildenhahn hatte ab den späten 1960ern begonnen, den Ton selbst zu übernehmen – um möglichst "direkt dran" sein zu können. Mit dem Zweiteiler "Die Liebe zum Land" (1973/74) knüpften sie in dieser Konstellation an die 1967 begonnenen kritischen Filmbeobachtungen zur deutschen Provinz an.

1975 begannen dann die Arbeiten an einem mehrteiligen Dokumentarfilm, der oft als Wildenhahns Hauptwerk beschrieben wird: In "Emden geht nach USA" begleitete der Regisseur zusammen mit Kamerafrau und Ko-Autorin Tuchtenhagen den Kampf von Belegschaft und Betriebsrat des VW-Werks in Emden gegen die drohende Produktionsverlagerung in die Vereinigten Staaten und griff damit gleichsam der Globalisierungsdebatte der Jahrtausendwende voraus. Dabei versuchte er, die theoretischen Ansätze zum dokumentarischen und synthetischen Film, die er in seinem Grundlagenwerk erarbeitet hatte, in der Praxis anzuwenden. Dem 1977 abgeschlossen vierteiligen dokumentarischen Projekt fügte er daher einen essayistisch-poetischen Teil über die Menschen und die Landschaft Ostfrieslands hinzu ("Im Norden das Meer Im Westen der Fluß Im Süden das Moor Im Osten Vorurteile. Annäherung an eine norddeutsche Provinz", 1976). Insbesondere dieses Porträt stieß auf teils vehemente Ablehnung in der Regionalpresse, "Emden geht nach USA" machte Wildenhahn und Tuchtenhagen 1978 jedoch zu Grimme-Preisträgern (mit Gold).

Gemeinsam mit Gerhard Haag erarbeitete er 1977 die Hörspiel-Reportage "Wo die Kamine qualmen, da mußt du später hin", die im Frühjahr 1979 im WDR gesendet wurde. Wo die Kamine qualmen und die Kumpel unter Tage fahren, waren auch die nächsten Filmprojekte Wildenhahns angesiedelt: "Der Nachwelt eine Botschaft. Ein Arbeiterdichter" (1980) porträtiert den Mühlheimer Poeten Günter Westerhoff; in den beiden "Bandonion"-Filmen widmete sich Wildenhahn dem Tango-Instrument mit Ruhrpott-Wurzeln und den Menschen, die es spielen; in "Was tun Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal?" (1983) ging er der Titelfrage nach. Das Doppelporträt "Ein Film für Bossak und Leacock" (1984) nutzte der Regisseur einerseits als Hommage an seine Vorbilder, andererseits als filmische Reflexion seines eigenen Ansatzes zur Theorie und Geschichte des Dokumentarfilms.

Noch im gleichen Jahr ging Wildenhahn, der nunmehr vom Fernsehspiel zur Hauptabteilung Kultur des NDR gewechselt hatte, nach England, wo er den ausgedehnten Arbeitskampf britischer Bergleute in "Yorkshire" festhielt. Während die Auseinandersetzungen zwischen englischen Gewerkschaftern und der Thatcher-Regierung sich im Verlauf der Dreharbeiten immer weiter zuspitzten, zeigte "Stillegung. Oberhausen Mai - Juli '87" in ruhigen Bildern, was nach Thyssens Schließung der Oberhausener Hüttenwerke zurückblieb. Ähnlich verfährt "Rheinhausen. Herbst '88" mit den Veränderungen im Leben der Menschen nach dem Aus der Duisburger Hütte einige Monate zuvor. Den Spuren und Spätfolgen der Grabenkämpfe des Ersten Weltkrieges in Flandern spürte Wildenhahn 1989 in "Reise nach Ostende" nach.

Im selben Jahr widmeten die Akademie der Künste Berlin (deren Mitglied Wildenhahn seit 1984 war) und 3sat, im Jahr darauf dann die Leipziger Filmwoche und Eins Plus, der ehemalige Kulturkanal der ARD, dem Dokumentaristen ausführliche Retrospektiven. In Dresden beobachtete dieser im Wendesommer in "Der König geht. Schloss Dresden Sommer '90", was die Währungsunion der beiden deutschen Staaten für die Menschen, die am Wiederaufbau des Schlosses arbeiteten, persönlich bedeutete. Schon drei Jahre zuvor hatte er erstmals in der DDR gedreht und mit "Bln. DDR & ein Schriftsteller" ein in der Form experimentelles doch inhaltlich konzises Porträt des Literaten Christoph Hein abgeliefert.

In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre verschrieb sich Wildenhahn, der als Redakteur beim NDR bis 1995 festangestellt war, unterschiedlichen Bereichen. Neben den beiden Kurzdokumentationen "Nachruf auf einen Trainer" (1991) und "Konditors Nachmittag", der 1991 im Wettbewerb der Oberhausener Kurzfilmtage lief, entstanden auch Langfilme wie "Noch einmal HH 4: Reeperbahn nebenan", der sich mosaikartig aus Begegnungen und poetischen Porträtminiaturen aus dem Hamburger Stadtteil St. Pauli zusammensetzt oder "Freier Fall: Johanna K." (1992), der eine transsexuelle Frau in den Mittelpunkt stellt, die ihre komplexe Geschichte erzählt. In "Reiseführer durch 23 Tage im Mai" (1993) kehrte Wildenhahn einmal mehr zum Thema Arbeitskampf zurück und beobachtete den gut dreiwöchigen Streik der Arbeiter des brandenburgischen Riva-Stahlwerks.

Seine letzten beiden Projekte für den NDR galten schließlich dem Balkankrieg. "Die dritte Brücke" und "Reise nach Mostar" (beide 1995 und erstmals auf Video gedreht) zeichnen auf unterschiedliche Weise die Spuren nach, welche die Ereignisse hinterlassen haben. "Die dritte Brücke" spannt einen Bogen vom lokalen Konflikt zur europäischen Politik und bezieht sich dabei stark auf den von der EU eingesetzten Vermittler Hans Koschnick, während "Reise nach Mostar" ein persönlicher, introspektiver Film Wildenhahns ist, in dem der Regisseur die eigene momentane Wahrnehmung der kriegszerstörten Stadt herausstellt. Nach seiner Pensionierung veröffentlichte er 1997 dann sein zweites Buch "Mimesis und Wirkung der Schnulze. Filmtheorie Nr. 2". Ein Jahr später wurde Wildenhahn zum Gründungsmitglied der "Filmwerkstatt Dokumentarisch Arbeiten e. V.", die sich zum Ziel gesetzt hat, eine künstlerische dokumentarische Filmform zu fördern, "die mehr will als die filmische Aufbereitung von Wirklichkeit: eine Haltung zur lebendigen Welt".

2000 strahlte 3sat Wildenhahns bisher letztes Werk "Ein kleiner Film für Bonn" aus, in dem sich der Altmeister des deutschen Dokumentarfilms mit dem Umzug der Bundesregierung vom Rhein an die Spree auseinandersetzte. Danach zog sich der Regisseur aus dem Film- und Fernsehbetrieb zurück. 2005 startete er eine Vortrags- und Filmreihe unter dem Titel "Der Körper des Autoren" in der er seine Lieblingsdokumentationen dem deutschsprachigen Publikum vorstellte, auch ein Begleitband wurde veröffentlicht. Zu Wildenhahns 80. Geburtstag im Juni 2010 sendete 3sat das Filmporträt "Ostende, 3 Uhr nachmittags", außerdem erschien eine DVD-Box mit ausgewählten Filmen des Dokumentaristen. Im Herbst 2010 feierte Quinka Stoehrs intimes Porträt "Klaus Wildenhahn. DIRECT! Public and Private" auf dem Filmfest Hamburg Premiere.

2011 wurde der Regisseur mit dem Preis für sein Gesamtwerk beim Mille Occhi Filmfest Triest ausgezeichnet. Ihm zu Ehren wurde außerdem der Hauptpreis der dokumentarfilmwoche hamburg benannt. Im März 2015 veröffentlichte er das Buch "Abendbier in flacher Gegend", das alte und neue Texte versammelt.

Klaus Wildenhahn starb am 9. August 2018 im Alter von 88 Jahren in Hamburg.

FILMOGRAFIE

2002/2003
  • Mitwirkung
1999/2000
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Interviews
  • Ton
1998/1999
  • Mitwirkung
1998
  • Mitwirkung
1994/1995
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Interviews
  • Ton
1995
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Interviews
  • Ton
1993
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1992
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1991
  • Regie
  • Drehbuch
1991
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1988/1989
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1989
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1989
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1988
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1987
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1986
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Ton
1984/1985
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
  • Interviews
  • Ton
1983/1984
  • Regie
  • Drehbuch
  • Schnitt
  • Ton
1982/1983
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Ton
1981
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Ton
1981
  • Mitwirkung
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Ton
1979/1980
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Drehbuch Sonstiges
  • Ton
1979
  • Regie
  • Idee
  • Ton
  • Produzent
1975-1977
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
  • Ton
1975/1976
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
  • Ton
1975/1976
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
  • Ton
1975/1976
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
  • Ton
1974/1975
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1971/1972
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1969/1970
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1968/1969
  • Regie
  • Drehbuch
  • Ton
1967/1968
  • Regie
  • Drehbuch
1967/1968
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Kommentar
  • Ton
1967
  • Regie
  • Drehbuch
1965/1966
  • Sprecher
  • Regie
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
1966
  • Regie
  • Drehbuch
1965
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
1965
  • Sprecher
  • Regie
  • Drehbuch
  • Idee
  • Stoff
  • Kommentar
1965
  • Regie
  • Drehbuch
1964
  • Regie