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Leopold Freund

Geb. am: 05. April 1868
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Leopold FREUND, geb. am 5. April 1868 in Miskowitz, Böhmen (Österreich-Ungarn) [Míškovice, Tschechische Republik], gest. am 7. Jänner 1943 in Brüssel [Bruxelles]/Belgien, war 1938 Privatdozent (tit. ao. Prof.) für Medizinische Radiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und Honorardozent für Erste Hilfeleistung bei Unglücksfällen an der Technischen Hochschule Wien. Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 seines Amtes enthoben ("Venia legendi entzogen") und von der Universität Wien vertrieben. Leopold Freund, Sohn von Leopold Freund (1815–1897, Fabrikdir. u. Postmeister) und Marie, geb. Sprinzels (1836–1914), hatte an der Universität Wien ab 1888 Medizin studiert und promovierte am 23. Februar 1895 zum "Dr.med.univ." arbeitete anschließend an verschiedenen Abteilungen und Klinik des Wiener Allgemeinen Krankenhauses als Assistenz- und Sekundararzt, war 1899–1913 Assistent an der Univ.-Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten (Leitung: Prof. E. Finger) und habilitierte sich 1904 und wurde Privatdozent für medizinische Radiologie. 1905 heiratete Stefanie Abeles und wohnte in Wien 1, Graben 12. 1906 wurde er für den Nobelpreis in Medizin vorgeschlagen, ging aber leer aus. 1913 wurde er als Honorardozent für Erste Hilfe bei Unglücksfällen an die Staatsgewerbeschule berufen; außerdem dozierte er an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. 1913–1920 war er im Vorstand des Laboratoriums der Univ.-Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Assistent an der Wiener Poliklinik. 1914 war ihm an der Universität Wien der Titel eines außerordentlichen Professors verliehen worden, 1935 wurde er zum Ehrenmitglied der österreichischen Röntgengesellschaft ernannt und 1937 zum Hofrat. Er gilt als der Begründer der Medizinischen Radiologie und Röntgentherapie, der die erst kurz zuvor entdeckten Röngtenstrahlen und die Radioaktivität erstmal in der Medizinischen Therapie und Diagnostik am Patienten anwandte – anfangs bei Hauterkrankungen, später auch bei tiefer gelegenen Organen - und schuf damit die Basis für die Strahlentherapie. Zu seinem umfangreichen wissenschaftlichen Werk von über 340 Beiträgen gehören neben dem Pionierbeitrag "Ein mit Röntgenstrahlen behandelter Fall von Naevus pigmentosus piliferus" (Wiener Medizinischen Wochenschrift vom 6. März 1897) vorwiegend Arbeiten zur therapeutischen Anwendung der Röntgenstrahlen, aber auch zur Lichtbehandlung von Berufskrankheiten und Verwendung von Röntgenstrahlen zur Baumaterialprüfung wie z.B. "Berufskrankheiten und ihre Verhütung mit besonderer Berücksichtigung der graphischen Gewerbe" (1901); Grundriß der gesamten Radiotherapie für praktische Ärzte (1903, weltweit erstes ausschließlich der Strahlentherapie gewidmete Lehrbuch), "Elektrische Funkenbehandlung der Karzinome" (1908). Nach dem sogenannten "Anschluss", der Machtergreifung des Nationalsozialismus, wurde er als Jude verfolgt, wurde ihm die Lehrberechtigung entzogen und seine Wohnung wegen „verdächtigen Verhaltens“ durchsucht und er selbst vom 25.–28. November 1938 in "Sicherungshaft" genommen und wegen "nicht angemeldetem Judenvermögen" angezeigt. Der Direktor des Brüsseler Radiuminstituts, Félix Sluys (1875–1965) half dem 70jährigen Leopold Freund und seiner Frau, Visa für Belgien zu organisieren und im August 1939 gelang es ihnen, nach Brüssel [Bruxelles]/Belgien zu emigrieren. Kaum neun Monate später wurde Belgien vom Deutschen Reich besetzt und er wurde erneut Opfer der NS-Verfolgungspolitik. Sein Bruder Heinrich Freund (1863–1942) wurde im Februar 1942 aus Wien nach Riga deportiert und ermordet. Leopold Freund starb 74-jährig am 7. Jänner 1943 im deutsch besetzten Brüssel/Belgien aus ungeklärten Gründen, seine Ehefrau überlebte.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1888-1895, Promotionsprotokoll MED VII (1894-1898), Personalakt MED PA 130/17; Foto 106.I.1478, Personalblatt S 304.303; ÖStA/ Archiv der Republik/ BMF /VVST /VA 16202; FISCHER 1932, 447; ÖBL 1957, 359; JANTSCH 1961, NDB, 413; MERINSKY 1980, 59-61b; MÜHLBERGER 1993, 20; BLUMESBERGER 2002, 367; EBNER/MIKOLETZKY/WIESER 2017, 83; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; ANGETTER 2021.


Herbert Posch

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