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Heinrich Maier

Geb. am: 16. Februar 1908
Fakultät: Juridische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Heinrich MAIER, geb. am 16. Februar 1908 in Großweikersdorf/NÖ (heimatberechtigt in Großweikersdorf/NÖ, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Heinrich (ehemaliger ÖBB-Beamter) und Katharina Maier, geb. Giugno. Die Familie zog mehrfach um, den Anstellungen des Vaters folgend. Heinrich Maier besuchte daher ab 1918 das Gymnasium in St. Pölten ab 1926 jenes in und Leoben, wo er im Juni 1926 auch maturierte.

Am 9. Oktober 1926 trat er bereits ins Priesterseminar ein und immatrikulierte ab Wintersemester 1926/27 an der Katholisch Theologischen Fakultät der Universität Wien. Währenddessen wohnte er in Wien 9, Boltzmanngasse 9/2/82. Nach vier Semestern wechselte er im Herbst 1928 zum "Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum" an die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom, wo er bis 1929 scholastische Philosophie studierte (Studienkollege: Franz König, später Kardinal Erzbischof von Wien) und am 16. Juli 1930 zum Dr. phil. schol. promovierte. Er kehrte nach Wien zurück, nahm das Theologiestudium vom Wintersemester 1930/31 bis Sommersemester 1932 wieder auf (abs. theol. 1932) Und wohnte zunächst in Wien 19, Silbererstraße 35, später im Aluminat in Wien 9, Boltzmanngasse 9.
Am 24. Juli 1932 wurde er zum Priester geweiht und wurde Seelsorger in Niederösterreich (ab Oktober 1932 in Schwarzau im Steinfeld, dann in Reichenau, ab September 1934 in Mödling). Ab 1. September 1935 wurde er Diakon in der Pfarre Wien-Gersthof und studierte 1935/36 nebenbei zwei Semester an der Juridischen Fakultät. Seit Oktober 1935 wohnte er in Wien 18, Bischof-Faber-Platz 7. Seit 1936 war er auch Religionslehrer (Lehramtsprüfung 1938) an der Technisch-gewerblichen Bundeslehranstalt in Mödling und später am Albertus-Magnus-Gymnasium der Marienbrüder (Wien 18, Semperstraße).

Mit der Abschaffung des Religionsunterrichts verlor Heinrich Maier 1938 seine Stelle als Pädagoge, blieb aber Kaplan in der Pfarre Wien-Gersthof-St. Leopold. Er widmete sich von Wintersemester 1938/39 bis Sommersemester 1941 wieder dem juristischen Studium (Trimester 1941 und Sommersemester 1941 "beurlaubt") und dissertierte bereits 1939 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien (Dissertation: "Der Kampf um den richtigen Kirchenbegriff im Spätmittelalter. Dargestellt an Hand von Marsilius von Padua 'Defensor Pacis' und Johannes von Torquemadas 'Summa de Ecclesia'"). Wenige Wochen nach der Einreichung und Approbation seiner Dissertation bestand er am 6. Juli 1939 das erste Rigorosum in Moral- und Pastoraltheologie, am 25. Juni 1941 das zweite Rigorosum für Bibelstudien und zuletzt am 16. Juli 1942 das dritte Rigorosum für dogmatische Theologie. Am 25. Juli 1942 erfolgte Maiers Promotion zum Dr.kath.theol.

Er hatte bereits 1940 erste Kontakte mit Widerstandskämpfern geschlossen. Er war 1941 gemustert und für "kriegsverwendungsfähig" befunden, jedoch vom aktiven Kriegsdienst befreit worden. Bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo 1944 und entgegen der Weisung Kardinal Innitzers an die Priesterschaft, sich von politischem Engagement fernzuhalten und sich auf die seelsorgerischen Aufgaben zu beschränken, nahm er im Mai/Juni 1940 Kontakt mit deutschen Widerstandsgruppen und katholischen Gewerkschaftern wie Jakob Kaiser auf, der wiederum Verbindung zu christlich-sozialen Widerständlern wie Felix Hurdes, Lois Weinberger und auch zu Regimegegnern wie Adolf Schärf und Karl Seitz pflegte. Sein Mitstreiter, der Tiroler Franz Josef Messner, Generaldirektor der kriegswichtigen Gummiwerke Semperit im niederösterreichischen Traiskirchen, war ein profunder Kenner der Kriegswirtschaft und verfügte über Beziehungen zur in- und ausländischen Industrie. Die "Maier-Messner-Caldonazzi" Gruppe unterschied sich von anderen Widerstandsgruppen in ihrer Arbeitsweise, es gehörten ihr seit 1943 nur wenige, meist intellektuelle Persönlichkeiten an, die ihren Fähigkeiten entsprechend mit speziellen Sonderaufgaben betraut wurden. Zum engeren Kreis zählten DDr. Helene Sokal und ihr späterer Mann, der Chemiker Dr. Theodor Legradi, die über internationale Verbindungen u.a. zum kommunistischen Widerstand verfügten, der Arzt Dr. Josef Wyhnal und der Student Hermann Klepell. Dieser hatte Beziehungen zu sozialistischen Kreisen, während ein weiteres Mitglied, die Kommunistin Pawlin, die Verbindungen mit der KPÖ herstellte. "Maier-Messner" wurde von Mitgliedern der eigenständig agierenden Widerstandsgruppe um den Tiroler Widerstandskämpfer Ingenieur Walter Caldonazzi unterstützt. Die Gruppe kümmerte sich unter anderem um die Sammlung und Weitergabe von Informationen über Standorte, Beschäftigte und Produktionen von NS-Rüstungsbetrieben an die Alliierten. Das Vorhaben, eine amerikanische Sendeanlage des Office of Strategic Services (OSS) von Liechtenstein nach Österreich zu bringen, scheiterte jedoch.
Die Gruppenmitglieder wurden nach und nach verhaftet – Maier am 28. März 1944 in der Kirche der Pfarre Gersthof und kam in Gestapohaft am Morzinplatz. In der Haft verbrachte Maier die Zeit mit dem Studium der englischen und französischen Sprache. Er wurde am 16. September 1944 in die Untersuchungshaftanstalt Wien I überstellt, am 28. Oktober 1944 vom Volksgerichtshof angeklagt wegen "Verbindung zum feindlichen Ausland aufgenommen" und "Lagepläne deutscher Rüstungswerke ins Ausland verraten zu haben, um Luftangriffe der Feinde auf deutsche Rüstungsbetriebe herbeizuführen" und daraufhin wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" durch "Beteiligung an einem separatistischen Zusammenschluss" zum Tode verurteilt.

Aus dem Urteil des Volksgerichtshofs, 28. 10. 1944:

"Im Jahre 1942 glaubte der Angeklagte Maier, die Niederlage Deutschlands im gegenwärtigen Kriege mit Sicherheit voraussehen zu können. Er verkehrte ziemlich rege mit der geschiedenen Ehefrau eines emigrierten jüdischen Wiener Rechtsanwalts, Frau Sokal-Myrna. [...] Sie fassten den Entschluss, sich rechtzeitig mit den Westmächten in Verbindung zu setzen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Maier wollte dem feindlichen Auslande dartun, dass schon jetzt in den ehemals österreichischen Ländern eine dem Nationalsozialismus feindliche Bewegung bestehe, mit der man im Bedarfsfalle rechnen könne. Als daher im Jahre 1942 die Sokal in die Schweiz reiste - es bleibt unerfindlich, wie es ihr bei ihrem politischen Vorleben und als Ehefrau eines emigrierten Juden gelungen ist, die amtliche Bewilligung hierzu zu erhalten -, überbrachte sie im Einvernehmen mit Maier dem in Luzern lebenden ehemaligen Jesuitenpater Dr. Karrer eine von Maier verfasste Botschaft folgenden Wortlauts:

'Das gemeinsame Leid hat die Gegensätze im österreichischen Volke überbrückt. Die Parteien, ob rechts oder links, finden sich auf einer gemeinsamen Plattform. Sie bejahen das unabhängige, demokratische Österreich. Wir sind bereit, in der Nachkriegszeit unseren Platz in der neugeordneten Völkerfamilie Europas einzunehmen, und warten, sobald die Stunde gekommen ist, auf euren Ruf."

Die Sokal lernte diese Sätze auswendig und teilte sie mündlich dem Dr. Karrer mit, der versprach, sie an den englischen Botschafter in Bern weiterzuleiten. [...]

Um den Angeklagten Maier scharte sich alsbald eine Reihe von Leuten, die seinen politischen Ansichten zustimmten und gleich ihm entschlossen waren, zur Wiedererrichtung eines selbständigen österreichischen Staates beizutragen. Dieser sollte eine monarchistische Regierungsform erhalten und neben den österreichischen Ländern Bayern und Südtirol umfassen."

Am 22. November wurde er trotz Todesurteil in das KZ Mauthausen verlegt um vor der Hinrichtung noch mehr 'Informationen über die Gruppe zu erhalten. Kardinal Innitzer schickte ein Gnadengesuch nach Berlin, intervenierte bei dem Apostolischen Nuntius in Berlin und dem Kommissar der Fuldaer Bischofskonferenz. Innitzers Eingabe blieb, ebenso wie das Gnadengesuch des Universitätsprofessors Ernst Schönbauer und der Antrag von Maiers Mutter, ohne Erfolg. Am 18. März 1945 wurde er gemeinsam mit Messner nach Wien zurückgebracht, wo er am 22. März 1945 im Landesgericht Wien in Wien 1, Landesgerichtsstraße 11, enthauptet wurde.1945 erhielt er ein Ehrengrab im Friedhof in Neustift am Walde (Wien), 1949 wurde in Wien 18 die Dr. Heinrich Maier-Straße nach ihm benannt (1995 wurde eine Zusatztafel angebracht), 1988 wurde am Gersthofer Pfarrhaus eine Gedenktafel für ihn angebracht, und in der Gedenkstätte der katholischen Couleurstudenten in Wien 8., Lerchenfelderstraße 14, an ihn erinnert (er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.Ö.St.V. Nibelungia im Österreichischen Cartell-Verband (ÖCV)), 1995 wurde am Haus Dr. Heinrich Maier-Straße 1 eine Gedenktafel für ihn angebracht und 1996 wurde vor der Pfarrkirche Gersthof-St. Leopold ihm zu Ehren ein Baum gepflanzt.Hans Schwabenicky schuf für die Gersthofer Kirche eine Holzskulptur "Der Kopflose" (Kaplan-Heinrich-Maier-Statue), der Komponist Gerald Spitzner widmete ihm das "Heinrich-Maier Oratorium", welches 1995 am Hinrichtungsort (Wiener Landesgericht) uraufgeführt wurde.


Lit.: Archiv der Universität Wien: Nationale Katholisch-Theologische Fakultät 1926-1930, Nationale Juridische Fakultät 1935-1941, Rigorosenprotokoll Katholisch-Theologische Fakultät 1919-1946, ThK 41.6, Nr. 307, Promotionsprotokoll Katholisch-Theologische Fakultät, Bd. 1, Nr. 846 (25.07.1942); Auskunft Meldearchiv/Wiener Stadt- und Landesarchiv, 22.07.2014; KNIEFACZ/POSCH 2017a; Ursula Rumpler: MAIER, Heinrich. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 27, Nordhausen 2006, Sp. 885–899DÖW 1998, 63, 68, 173, 176-177, 193, 366, 369-370, 373; Gedenkseite Pfarre GersthofWIKIDÖW; MADER 1988 | H. Mader, Maier DDr. H., in: K.-von-Vogelsang-Institut (Hg.), Gelitten für Österreich, 1988; JAGSCHITZ 2005 | Gerhard Jagschitz: Kaplan DDr. Heinrich Maier, in: Hundert (100) Jahre Nibelungia. Festschrift zum hundertsten Stiftungsfest der Katholisch-Österreichischen Studentenverbindung Nibelungia zu Wien im ÖCV. Wien 2008, 25–30; FRIED 1947 | Jacob Fried: Nationalsozialismus und katholische Kirche in Österreich, Wien 1947, 1948²; STEINER 1968 | Herbert Steiner Gestorben für Österreich, Widerstand gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien-Frankfurt-Zürich 1968; KEMPNER 1967 | Benedicta Maria Kempner: Priester vor Hitlers Tribunalen, München 19661, 263; 1967², 65; DÖW (Hg.): Erzählte Geschichte, Berichte von Männern und Frauen in Widerstand wie Verfolgung, Bd. 2: Katholiken, Konservative Legitimisten, Wien 1992; DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Wien, 1934-1945. Eine Dokumentation Bd. 1-3, Wien 1975, 188 ff.; DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Wien 1938-1945, Bd. 3, Wien 1984, 75, 81, 118 ff.; HECHT/RAUCH/RODT 1996 | Anton Hecht, Norbert Rauch u. Norbert Rodt: Geköpft für Christus & Österreich: DDr. Heinrich Maier, Kaplan in Wien-Gersthof, Unterrichtsimpuls, Wien 1996; FARBEN 1988 | Österreichischer Verein für Studentengeschichte (Hg.): Farben tragen – Farbe bekennen, 1938–1945, Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung, Wien 1988, 106-107, 133; (bzw. 2013², 418ff.; BEER 1993 | Siegfried Beer: »Arcel/Cassia/Redbird«. Die Widerstandsgruppe Maier-Messner und der amerikanische Kriegsgeheimdienst OSS in Bern, Istanbul und Algier 1943–1944, in: DÖW (Hg.): Jahrbuch 1993, Wien 1993, 75–100; RODT/HECHT DEGASPARI 1995 | Norbert Rodt/Anton Hecht/Ernst Degasperi: Zeugnis der Auferstehung. Dokumente und Bilder aus dem Leben des Priesters Heinrich Maier, Innsbruck 1995; WEINZIERL 1998 | Erika Weinzierl: Katholische Priester im Widerstand, in: M. Liebmann/H. Paarhammer/A. Rinnerthaler (Hg.): Staat und Kirche in der »Ostmark«, Frankfurt am Main, Wien (u.a.) 1998, 473-500. 


Katharina Kniefacz und Herbert Posch


Heinrich Maier 1944 nach seiner Verhaftung durch die Gestapo © DÖW

Nationale von Heinrich Maier, Wintersemester 1938/39 (Vorderseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Heinrich Maier, Wintersemester 1938/39 (Rückseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Vollzugsmeldung der Hinrichtung von Heinrich Maier, Hermann Klepell und Josef Wyhnal am 22. März 1945, © DÖW

Nationale von Heinrich Maier, Wintersemester 1926/27 (Vorderseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Heinrich Maier, Wintersemester 1926/27 (Rückseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Heinrich Maier, Trimester 1941 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Heinrich Maier, Trimester 1941 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Heinrich Maier, Sommersemester 1941 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Heinrich Maier, Sommersemester 1941 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz, © Archiv der Universität Wien

Heinrich Maier, Eintrag Nr. 846 vom 25. Juli 1942, Promotionsprotokoll Katholisch-Theologische Fakultät, Foto: Katharina Kniefacz, © Archiv der Universität Wien
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