Universität Wien - Startseite

Stefan Herz-Kestranek

Geb. am: 19. Mai 1909
Fakultät: Juridische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung
Stefan HERZ-KESTRANEK, geb. am 19. Mai 1909 in Wien als einziger Sohn von Ida Kestranek (1876-1963) und der Eugen Herz (1875–1944, Direktor der Alpine Montangesellschaft, Präsident der Österreichischen Industriellenkammer und Kunstmäzen), hatte nach seiner Matura am Schottengymnasium Rechtswissenschaften studiert und am 13. Mai 1932 an der Juridischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines Dr. iur. erworben. Er wohnte in Wien 4., Prinz-Eugenstraße 30/I/5, wechselte dann aber als Schauspieler nach Graz und arbeitete schließlich doch in der Stahlindustriebranche 1934 wurde er vom Bruder seiner Mutter, Hans Kestranek, adoptiert und führte ab damals den Doppelnamen "Herz-Kestranek". Seine Eltern waren bereits 10 Jahre vor seiner Geburt zum Katholizismus übergetreten, aber in der Zuschreibung des Nationalsozialismus galt er als "Mischling 1. Grades". Seite 1934 prominentes und exponiertes Mitglied der austrofaschistischen Heimwehr und Freund von Heimwehrführer Ernst Rüdiger Graf Starhemberg (1899-1956) wurde er auch aus politischen Gründen im Nationalsozialismus verfolgt. Sein Sohn Miguel Herz-Kestranek beschreibt ihn später so: "Er war - zumindest bis zu seiner Emigration - großbürgerlich, wohlhabend, vor christlich-sozialem Hintergrund politisch weitestgehend uninteressiert, er war assimiliert und weder Künstler noch Intellektueller. Aber er war Emigrant, weil er als jüdischer Österreicher von der Vernichtung bedroht war." Er flüchtete daher 1938 aus Wien in die Schweiz, emigrierte später nach Frankreich (La Lavandou an der Cote d'Azur, wo er Deutschunterricht gab, Kaninchen und Gemüse züchtete) und ab Ende 1941 über Spanien und Lissabon nach Montevideo/Uruguay. Er wurde 1942 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert (264. Ausbürgerungsliste Nr. 19, verlautbart im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 225 vom 25. September 1942) woraufhin ein Jahr später auch ein Doktorats-Entziehungsbeschluß der Universität Wien am 26. März 1943/1. April 1943 erfolgte (verlautbart im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 86 vom 13. April 1943). Seine Briefe wurden 1997 von seinem Sohn Miguel Herz-Kestranek (geb. 1948 in St.Gallen/Schweiz) und der Historikerin Marie-Therese Arnbom als Kaleidoskop der Gefühle einer Exil-Identität herausgegeben: "Eine Welt, die niemand verstehen kann, der nicht in ihr gelebt hat, eben die Welt des Emigranten, die Welt des Heimatlosen, des ganz auf sich allein Angewiesenen. Name, Beziehungen, soziale Stellung, Empfehlungen, Herkunft, alles Mumpitz, wichtig ist nur Geld, das habe ich nicht, also hab ich nur mich selbst!". Er hatte Anfang 1937 in erster Ehe Maria Kreitner geheiratet (1938 in Zürich geschieden), in der Emigration in Uruguay in zweiter Ehe mit Hilde Anna Kellner (ebenfalls bald geschieden) und in dritter Ehe mit der aus Köln stammenden und ebenfalls nach Montevideo geflüchteten Lieselotte Rothschild, mit der er auch zwei Kinder hatte, und schließlich in vierter Ehe mit Maria Wickl (geb. Machacek, war zuvor mit einem SS-Mann verheiratet). Erst 12 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt. Stefan und Lieselotte Herz-Kestranek kamen aus dem Exil in Montevideo bei erster Gelegenheit 1945 nach Wien zurück. Für die Geburt des Sohnes zogen sie 1948 vorübergehend nach St. Gallen, in der Schweiz, "weil das Land der Schokolade für Mutter und Baby besser war" – vermutete dieser nachträglich. Stefan Herz-Kestranek hielt es aber weder in St. Gallen, noch im Nachkriegs-Wien lange, er zog nach St. Gilgen am Attersee, wo er die Restitution der alten Kestranek-Villa erwirkte, die 1938 geraubt ("arisiert") worden war und verlegte dorthin seinen Lebensmittelpunkt. Erst 12 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad  am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt - allerdings wie in allen anderen Fällen ohne ihn davon seitens der Universität oder des Unterrichtsministeriums zu informieren. Dr. Stefan Herz-Kestranek starb am 8. Juli 1976 in Ried im Innkreis.


Lit.: Archiv der Universität Wien, Rektorat  GZ 151 ex 1942/43 (=S 127.9) ONr. 12, 13, 74–80, Rektorat GZ 561 ex 1944/45 ONr.15; Promotionsprotokoll IUR 1924-1939 Nr. 2327; Marie Therese Schwanda-Arnbom, Bürgerliche, allzu bürgerliche Begriffe... - Lebenserfahrungen in der Emigration am Beispiel von Dr. Stefan Herz-Kestranek, ungedr. phil. Diss. Wien 1994; Miguel Herz-Kestranek u. Marie-Therese Arnbom, Hg., "... also hab ich nur mich selbst!" Stefan Herz-Kestranek: Stationen eines großbürgerlichen Emigranten 1938-1945, Wien u.a. 1997; POSCH 2009, 386; GAUGUSCH 2011, 1111f.; Albert Lichtblau, Der Fall Herz-Kestrnek in der zweiten Generation, 2012; Miguel Herz-Kestranek im Interview mit Inge Dalma: "Ich habe ständig Heimweh", in: Zeitschrift der Auslandsösterreicher  ROTWEISSROT 10/2005; WIKIPEDIA; Manfred Flügge, Stadt ohne Seele: Wien 1938, 2018.


Herbert Posch


Verlautbarung der Doktorgradaberkennung von Stefan Herz-Kestranek im Deutschen Reichsanzeiger, © Archiv der Universität Wien
Für Fragen oder Kommentare zu dieser Person benützen Sie bitte unser: » Feedback-Formular.