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Alfred Braunthal

Geb. am: 10. Februar 1897
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung
Alfred BRAUNTHAL, geb. am 10. Februar 1897 in Wien, späterer Sozialwissenschaftler, Wirtschaftsexperte und Gewerkschaftsfunktionär, hatte am 21. Juli 1920 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines Dr. phil. in Philosophie erworben (Dissertation: "Das Problem der Gewalt in der Ethik"). Am 20. Oktober 1939 wurde ihm der Grad aus rassistischen und politischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus "als Jude" und "wegen seiner volks- und staatsfeindlichen Aktivitäten als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt. Erst Jahrzehnte nach der Aberkennung und sehr lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm posthum der Doktorgrad Anfang des 21. Jahrhunderts wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt. Alfred Braunthal, Sohn von Maier Braunthal (Buchhalter, 1836-1914) und Klara Braunthal, geb. Zoller (1862-1940), hatte 1917-1920 in Wien und Berlin Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft studiert und promovierte am 21. Juli 1920 an der Universität Wien in Philosophie zum "Dr.phil.".
Er war wie seine Geschwister Julius (1891–1972) und Bertha (1887–1967) in der Arbeiterbewegung engagiert und war Mitglied der sozialistischen Jugend- u. Studentenbewegung in Wien. Er wurde 1920 in Wien Sekretär von Der Österreichische Volkswirt und ging 1921 nach Deutschland, wo er in Thüringen 1921 Finanzredakteur der Leipziger Volkszeitung und Dozent an der Heimvolkshochschule Tinz bei Gera wurde, die er 1925-1928 auch leitete. 1929-1933 war er Mitarbeiter der Forschungsstelle für Wirtschaftspolitik Berlin und entwickelte eine breite Vortrags- und Publikationstätigkeit für die SPD. Er war verheiratet mit Erna Elkan und sie hatten zwei Kinder, Gerard Braunthal (1923-2014, Politikwissenschafter) und Inge Braunthal (1927-?). Nach dem Tod seiner Frau 1928 heiratete er 1929 ihre Schwester, die Pädagogin Hilde Elkan (1903-?). Nach Hitlers Machtergreifung in Deutschland emigrierte er im März 1933 nach Wien und im Mai 1933 weiter nach Belgien, wo er bis Februar 1936 in Brüssel als Wirtschaftsberater im Bankgewerbe lebte und arbeitete, u.a. auch als Assistent des sozialistischen Theoretikers Hendrik de Man arbeitete und an Aktivitäten der SDP-Leitung und and der Arbeit am Parteiprogramm teilnahm - unterbrochen durch ein Studienjahr an der London School of Economics in England/Großbritannien 1935. Am 14. März 1936 emigrierte er von Southampton/England (mit der SS Aurani) in die USA, war ab 1937 Research Director der United Hatters, Cap and Millinery Workers International Union; 1939-45 Vorstandsmitglied der GLD/German Labour Delegation. 1943 wurde er Amerikanischer Staatsbürger und war Mitglied und Forschungsbeauftragter der American Labor Conference on international Affairs. 1949/50 wurde er als Leiter der Wirtschafts- und Sozialabteilung an den neu gegründeten Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) zurück nach Brüssel/Belgien gerufen und wurde später stellvertretender Generalsekretär des IBFG (bis 1968). Zu seinen Werken gehören u.a. "Marx als Geschichtsphilosoph" (Berlin 1920); "Geld und Valuta. Eine Untersuchung über die Probleme der inneren und äußeren Geldentwertung (Leipzig, 1922); "Die Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Wirtschaft (1927); Die Wirtschaft der Gegenwart und ihre Gesetze (Berlin 1932); Die Weltwirtschaftskrise (Berlin 1933); Safeguards against Labour Conditions in Backward Countries (New York 1944); sowie zahlreiche Beiträge in Sammelbänden und Zeitschriften wie Der Kampf (Wien); Die Gesellschaft (Berlin), Vorwärts (Berlin), Social Research (New York), International Labour Review (Genf), International Postwar Problems (New York), Free Labour World (Brüssel), Gewerkschaftliche Monatshefte (Köln). 1970 übersiedelte er wieder in USA, lebte ab 1977 in Chestnut Hill und starb am 4. Februar 1980 in Boston, Massachusetts/USA. 2017 wurde vor seiner ehemaligen Dienstwohnung in der Heimvolkshochschule Schloss Tinz in Gera/Deutschland (Weg der Freundschaft 4) als Erinnerungszeichen ein "Stolperstein" für ihn, seine Frau und seine beiden Kinder verlegt (Künstler: Gunter Demnig).


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1917-1920, Promotionsprotokoll PHIL 1920; RÖDER 1983, 89; STADLER I 2004 [1987], 264, 266, 520; BLUMESBERGER 2002, 161; POSCH 2009, 274, 398; Stolperstein Gera.


Herbert Posch


Alfred Braunthal Verautbarung Doktorgradaberkennung Reichsanzeiger vom 15. Nov 1939, aus Rektorat GZ 273 ex 1939/40 © Archiv der Universität Wien

Alfred Braunthal, Stolperstein, © Stolpersteine Gera

Alfred Braunthal Beschluss Doktorgradaberkennung, 2. Nov 1939, aus Rektorat GZ 273 ex 1939/40 © Archiv der Universität Wien

Alfred Braunthal Beschluss Doktorgradaberkennung, REM 15. Sept 1939, aus Rektorat GZ 273 ex 1939/40 © Archiv der Universität Wien

Alfred Braunthal Beschluss Doktorgradaberkennung, REM 15. Sept 1939, aus Rektorat GZ 273 ex 1939/40 © Archiv der Universität Wien
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