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Bernhard Geiger

Geb. am: 30. April 1881
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Bernhard GEIGER, geb. am 30. April 1881 in Bielitz, Böhmen/Österreich-Ungarn [Bielsko-Biała/Polen], gest. am 5. Juli 1964 in New York, NY/USA, war 1938 ao. Prof. für Iranische und Indische Philologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Er wurde im Nationalsozialismus aus politischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben.

Geiger besuchte die Evangelische Volksschule in Biala [Bielsko-Biała] und von 1892 bis 1900 das k. k. Staatsobergymnasium in Bielitz [Bielsko-Biała], [1] wo er auch der zionistischen zionistischen Mittelschülerverbindung "Hasmoneah" Bielitz [Bielsko] angehörte, einer Vorfeldorganisation der zionistischen Studentenorganisation "Emunah" Bielitz [Bielsko-Biała] der er dann beim anschließenden Studium von Hebräisch, Persisch und Sanskrit an den Universitäten Wien, Bonn, Prag, Göttingen und Heidelberg angehörte, wobei er in diesem Zeitraum auch Mitglied der jüdischen Organisation "B'nai B'rith" war. Geiger promovierte 1904 an der Universität Wien, habilitierte sich 1909 als Privatdozent für Sanskrit und Persisch [2] und erhielt im Studienjahr 1913/14 einen honorierten Lehrauftrag, den er bis zu seiner Ernennung zum ao. Prof. innehatte. In den folgenden Jahren hielt er regelmäßig Vorlesungen über die Avestische Sprache und mittelpersische Dialekte. [3] Die Ernennung zum ao. Prof. verlief indessen nicht reibungslos, was auf Geigers Bekenntnis zur mosaischen Religion bzw. zum Zionismus zurückzuführen war. Im Professorenkollegium mahnte etwa der Botaniker Richard Wettstein ein, dass "der Charakter der Universität als einer deutschen gewahrt bleiben" müsse. [4] Letztlich schrieben ihm die verantwortlichen Instanzen aber doch das Attribut "deutsch" zu: Im Vermerk des Ministeriums heißt es, Geiger gehöre "seiner schul- und wissenschaftlichen Ausbildung nach dem deutschen Kulturkreise an". Zwar "bekenn[e] er sich zum Zionismus [im Original unterstrichen, Anm.]", "[b]ei voller Kenntnis der Sachlage" seien aber sowohl die Fakultät als auch das Rektorat "für seine Behandlung als Deutscher". Erkundigungen bei der niederösterreichischen Landesregierung hätten zudem ergeben, dass er "deutschösterr. Staatsbürger" war und nach "eigene[r] Angabe von deutschen Eltern abstamme[n]". [5] Das Habilitationsgesuch fand demnach ein positives Ende, und Geiger wurde am 26. Mai 1919 zum ao. Prof. für iranische und indische Philologie ernannt. [6] Für Geiger sollte es an der Universität Wien auch der letzte Karriereschritt sein. Der Einmarsch deutscher Truppen im März 1938 setzte seiner wissenschaftlichen Laufbahn in Wien ein jähes Ende: Das Unterrichtsministerium enthob ihn mit Erlass vom 22. April 1938 seines Amtes und beurlaubte Geiger "bis auf weiteres", [7] wobei Dekan Viktor Christian den Privatdozenten Erich Frauwallner mit der Fortführung seiner Vorlesungen betraute. [8] Nach einer weiteren Maßregelung Geigers, der Pensionierung mit Erlass vom 28. Mai 1938, entschloss sich dieser zur Flucht und emigrierte im September in die USA. [9] Noch im gleichen Jahr fand er eine Anstellung am Tibetanisch-Iranischen Institut in New York, wo er von nun als Professor für Indo-Iranische Philologie tätig war. Von 1951 bis 1956 war er Gastprofessor, dann Adjunct Professor für Indo-Iranische Philologie am Center of Iranian Studies an der Columbia University. [10] Geiger war Mitglied der "American Oriental Society" und der "Linguistic Society of America". Er erhielt vom iranischen Schah für seine Verdienste um das Studium der iranischen Kultur den "Homayoun-Orden" verliehen. [11] Ein wesentliches Verdienst Geigers lag in der Erforschung der vorislamischen iranischen Sprachen und Literaturen, wobei er auch die mitteliranischen Inschriften der Synagoge von Dura-Europos bearbeitete. [12] Zu seinen bedeutendsten Werken zählen "Die Religion der Iraner" (1929) und "Middle Iranian Texts" (1956). [13]


Lit.: Österreichisches Staatsarchiv/AdR, PA Geiger; Österreichisches Staatsarchiv/AVA, PA Geiger; Archiv der Universität Wien/PH PA 1727, PHIL GZ 659 ex 1937/38; MÜHLBERGER 1993, 40; KILLY/VIERHAUS 1996, Bd. 3; RÖDER 1983, Bd. 2; TETZLAFF 1982.


[1] UA, PA, Curriculum vitae, o. D.

[3] ÖStA/AVA, PA, Österr. Staatsamt für Inneres und Unterricht 10736/1919, Antrag auf Ernennung zum ao. Prof.

[4] UA, PA, Protokoll zur Ernennung Geigers zum ao. Prof., 28. 1. 1918.

[5] ÖStA/AVA, PA, Österr. Staatsamt für Inneres und Unterricht 8004/1919, Vermerk, o. D.

[6] Ebd., Österr. Staatsamt für Inneres und Unterricht 10736/1919, Dekret, 26. 5. 1919.

[7] UA, PHIL, GZ 659-1937/38, O.-Nr. 43, PHIL Dekanat an Geiger, 23. 4. 1938.

[8] Ebd., O.-Nr. 45, PHIL Dekanat an Frauwallner, 23. 4. 1938.

[9] ÖStA/AdR, BMU GZ 11.713-III712a-B/55, Vermerk, o. D.

[11] Ebd.

[13] TETZLAFF 1982.


Andreas Huber


Bernhard Geiger, bei Wienerwaldwanderung mit Prof. Norbert Jokl, Ing. Knoepfelmacher und Biblothekar Walter Frischauf, vor 1914 (c) Archiv der Universität Wien
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