Österreichisches Biographisches Lexikon

Biographie des Monats

Der Komponist der „Puppenfee“: Josef Bayer.

Am 12. März 2013 jährt sich zum hundertsten Mal der Todestag des Geigers, Dirigenten und Komponisten Josef Bayer. Er schrieb die Musik zum Ballett „Die Puppenfee“, einem der meistaufgeführten Werke der Tanzgeschichte.

 

Josef Bayer kam am 6. März 1852 als Sohn des bürgerlichen Schneidermeisters Matthias Bayer und seiner Frau Magdalena, geb. Dubowsky, in der Leopoldstadt (Wien 2) zur Welt. Bereits als Siebenjähriger trat er in das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde ein, wo er bei Joseph Hellmesberger d. Ä. und Carl Heißler Violine, bei Wilhelm Schenner und Josef Dachs Klavier, bei Anton Bruckner Harmonielehre sowie bei Felix Otto Dessoff Kontrapunkt und Komposition studierte. Parallel dazu besuchte der junge Musiker die Realschule sowie die Handelsakademie.

Nach Ableistung des Militärdienstes als Trommler in der Kapelle des Infanterieregiments Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 trat Bayer am 1. Mai 1870 als Secondgeiger in das Hofopernorchester ein. Ab dem 1. Oktober 1883 wirkte er dort als Hofopernkapellmeister sowie ab 1885 als Ballettkapellmeister. Im selben Jahr hatte er mit der Musik zum Ballett „Wiener Walzer“ von Louis Ruault-Frappart und Franz Gaul seinen ersten großen Erfolg als Komponist. Das Werk hielt sich jahrzehntelang auf dem Spielplan der Wiener Oper und erlebte Hunderte Aufführungen.

Bayers Karriere blieb jedoch keineswegs auf Wien beschränkt, so führten ihn Engagements als Dirigent in zahlreiche europäische Länder. Schon 1881 bereiste er auch die USA und 1882 dirigierte er in New York seine Operette „Der Chevalier von San Marco“.

 

„Die Puppenfee“ – ein Welterfolg

Weltberühmt wurde der Musiker dank seines Balletts „Die Puppenfee“. Das Werk wurde zunächst am 9. April 1888 in Anwesenheit Kaiser Franz Josephs I. im Wiener Palais Liechtenstein im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung uraufgeführt. Der Erlös sollte den Opfern einer Überschwemmung in Budapest sowie jenen einer Feuersbrunst in Galizien zugute kommen. Die Idee dazu stammte von Pauline Fürstin Metternich-Sándor: Sie selbst hatte in Paris 1867 an einem Wohltätigkeitsfest mitgewirkt, bei dem ein in einem Spielzeugladen angesiedeltes Ballett gegeben wurde, in dem sie die Besitzerin mimte.

Bayer vollendete die Partitur zu dem vorerst noch „Im Puppenladen“ genannten Werk in knapp 14 Tagen. Am 4. Oktober desselben Jahres wurde das um ein Ballabile, einen vom corps de ballett ausgeführten Tanz, erweiterte Stück mit dem Titel „Die Puppenfee“ an die Hofoper übernommen. Die Choreographie erstellte Josef Hassreiter, der schon die Uraufführung des Balletts mit konzipiert hatte. Seit der umjubelten Premiere 1888 erlebte die „Puppenfee“ allein an der Wiener Hof- bzw. Staatsoper über 800 Vorstellungen.

Der Grundgedanke, ein Ballett mit vermenschlichten Puppen auf die Bühne zu bringen, war übrigens nicht neu: Bereits 1870 hatte Léo Delibes gemeinsam mit seinem Choreografen Arthur Saint-Léon E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“, in dem eine Puppe die Hauptrolle spielt, unter dem Titel „Coppeliá“ für die Ballettbühne adaptiert.

 

 

Bayer als Vollender von Johann Strauß’ „Aschenbrödel“

Josef Bayers Name ist auch untrennbar mit Johann Strauß' (Sohn) einzigem Ballett „Aschenbrödel“ verbunden, das der am 3. Juni 1899 verstorbene Komponist nicht mehr selbst vollenden konnte. Anhand mehrerer autographer Partiturteile sowie diverser Entwürfe, Skizzen und Aufzeichnungen erstellte Bayer vorerst einen Klavierauszug, danach die dazugehörige Partitur, deren Instrumentation er aus den überlieferten autographen Teilen übernahm. Eigene künstlerische Freiräume waren Bayer nicht zugestanden worden, es war sogar vertraglich fixiert worden, dass er ausschließlich die Originalmusik Johann Strauß' zu verwenden habe und lediglich die technisch nötigen Überleitungen eigenständig gestalten dürfe. Als man den fertigen Klavierauszug dem damaligen Hofoperndirektor Gustav Mahler vorlegte, lehnte dieser eine Aufführung mit dem Argument ab, dass das Werk nichts mehr mit Johann Strauß zu tun habe. Aus diesem Grund fand die Uraufführung – in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. – am 2. Mai 1901 im Königlichen Opernhaus in Berlin statt. Das Wiener Publikum musste sich noch sieben Jahre gedulden, bis Gustav Mahlers Nachfolger Felix Weingartner es am 4. Oktober 1908 an der Wiener Hofoper herausbrachte.

 

Vom „Tanzmärchen“ zum „Damenduell“

In Zusammenarbeit mit den Librettisten Hassreiter und Gaul schuf Bayer weitere Ballette für die Wiener Hofoper, unter denen vor allem „Sonne und Erde“ (1889) mit 362 Aufführungen herausragte. Insgesamt komponierte Bayer 70 Ballette, darunter „Ein Tanzmärchen“ (1890), „Rouge et noir“ (1891), „Die Donaunixe (1892), „Burschenliebe“ (1894), „Rund um Wien“ (1894), „Die Braut von Korea“ (1897), „Die kleine Welt“ (1904) oder das Tanzpoem „Nippes“ (1911). An auswärtigen Bühnen gelangten seine „Deutschen Märsche“ (1886 Berlin), „Der Kinderweihnachtsmann“ (Dresden 1890), „Die Welt in Bild und Tanz“ (Berlin 1892), „Columbia“ (1893 Berlin) und „Rosa d'amore“ (1898 Mailand) zur Aufführung. Große Anerkennung erntete der Komponist auch für die aus Arrangements bestehende Musik zum Tanzspiel „Aus der Heimat“, das 1908 anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs an der Hofoper aufgeführt wurde.

Bayers kompositorisches Gesamtschaffen umfasst darüber hinaus 19 Operetten, wie „Mister Menelaus“ (1896), „Fräulein Hexe“ (1898), „Der Polizeichef“ (1904), „Spitzbub & Cie“ (1907) und „Das Damenduell“ (1907). Mit ihnen erzielte Bayer jedoch keine vergleichbaren Erfolge. 42 Lieder, 55 Tänze und 41 Märsche komplettieren sein Werk.

Anlässlich seines 30-jährigen Dienstjubiläums im Jahre 1900 erhielt Bayer, der auch nach seiner Pensionierung 1898 der Hofoper als Dirigent verbunden blieb, das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Bayer starb am 12. März 1913 in seiner Wohnung in der Wiener Florianigasse Nr. 40 und wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Der Musiker hatte zwei Töchter, von denen eine, Ida, in kleinen Häusern als Opernsängerin tätig war und auch selbst komponierte.

In einem Nachruf werden die Qualitäten von Bayers Musik folgendermaßen charakterisiert: „Seine Musik ragt weder durch Ursprünglichkeit noch durch Ausdruckskraft hervor. Sie besitzt mehr Frische und Anschmiegsamkeit als Noblesse oder feinere Technik; aber sie atmet die flotte, wienerische, durch Johann Strauß zur höchsten Blüte gebrachte Rhythmik. Das Glück dieser Ballette bildeten (…) die hübschen, von der alten vergilbten Phantastik und Allegorik, wie von der verbrauchten, schalen Ballettgroteske und Ballettragik gleich fernen Grundideen.“ (Neue Freie Presse, 13. 3. 1913).

Literatur: Wr. Salonblatt, 8., 15. 4. 1888; Neue Freie Presse, 13. 3. 1913; Neues Wiener Tagblatt, 9. 3. 1938, 8. 3. 1943; Volks-Zeitung (Wien), 20. 2. 1938; Neues Österreich, 6. 3. 1952; Czeike (m. B.); Eisenberg 1; Grove, 1980, 2001; Kosch, Theater-Lex.; Kosel 1; MGG I, II; oeml; Riemann; Die Puppenfee, 1983 (Programmheft, Wiener Staatsoper); Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, ed. C. Dahlhaus, 2, 1987; Wienbibliothek im Rathaus, Wien (Geburts- und Taufschein, Trauungsschein).

(R. Wiesinger)


Wir danken dem Österreichischen Theatermuseum und der Wienbibliothek im Rathaus für die kostenlose Überlassung des Bildmaterials.