Institut Österreichisches Biographisches Lexikon
und biographische Dokumentation

Biographie des Monats

Karl (Carl) Ludwig Edler von Littrow – zum 200. Geburtstag

„Eine große Teleskop-Öffnung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch eine noch größere!"

 

Sie ist ein magischer Anziehungspunkt für Studierende, aber auch für zahlreiche Besucher und Spaziergänger – die Universitätssternwarte im berühmten Cottageviertel in Wien-Währing. Ihr Bau ist untrennbar mit dem Namen „Littrow“ verbunden. Kämpfte der Astronom Joseph Johann von Littrow (1781-1840) noch vergebens um die Verlegung der alten Sternwarte aus dem Zentrum Wiens in die Peripherie, sollte seinem ältesten Sohn Karl Ludwig die Initiierung des Neubaus im heutigen 18. Wiener Gemeindebezirk gelingen.

 

Faszination Astronomie

Karl Ludwig von Littrow wurde am 18. Juli 1811 in der russischen Stadt Kazan’ geboren. Bald übersiedelte er mit seiner Familie nach Ofen (Buda), wo sein Vater das Observatorium auf dem Gellértberg betreute. In Ofen begann Karl Ludwig seine Gymnasialstudien, die er in Wien fortsetzte. Bereits im Kindes- und Jugendalter erhielt er von seinem Vater ersten Unterricht in Astronomie und wirkte 1824 an der Längenbestimmung Wien-München durch Pulversignale mit. Als Sechzehnjähriger begann er an den Universitäten Berlin und Wien Mathematik und Astronomie zu studieren. Aufgrund seiner herausragenden schriftlichen Prüfungsarbeit und unter Umgehung der damaligen geltenden Gesetze gegen die gemeinschaftliche Anstellung von Verwandten, erhielt Karl Ludwig im Jahr 1831 eine Assistentenstelle an der Wiener Universitätssternwarte (heute Akademie der Wissenschaften, Dr. Ignaz-Seipel-Platz). 1832 wurde er an der Jagiellonen-Universität in Krakau zum Dr. phil. promoviert. Seine berufliche Karriere setzte er jedoch in Wien fort. 1834 verfasste er seine vielfach beachteten „Beyträge zu einer Monographie des Halley’schen Kometen“, die auch ins Französische übersetzt wurden und gab noch im selben Jahr Maximilian Hells Tagebuch unter dem Titel „P. Hell’s Reise nach Wardoe bei Lappland und seine Beobachtung des Venus-Durchganges im Jahre 1769 …“ heraus. Ein Jahr später führte er gemeinsam mit dem Direktor der Prager Sternwarte Friedrich Böhm die erste Bestimmung der Länge des Sekundenpendels von Wien durch. Ebenso vollendete er die von seinem Vater begonnene Aufstellung des Toposkops, eines Brandortungsinstruments, am Stephansturm und trug somit wesentlich zur raschen Brandbekämpfung und damit zur Sicherheit der Wiener Bevölkerung bei. 1835 wurde Littrow zum provisorischen, ein Jahr später zum definitiven Adjunkten bestellt. Somit war er verpflichtet an der Universität populäre astronomische Vorträge zu halten, aber auch Marinekadetten zu unterrichten. Mit diesen unternahm er im Auftrag des Hofkriegsrats 1837 eine Übungsfahrt, um die Methoden der nautischen Astronomie, in erster Linie die Praxis der Ortsbestimmung auf See, zu lehren. Während dieser Reise, die zu einer Umschiffung Italiens führte, entwickelte Littrow eine neue Methode zur Längenbestimmung auf See, die sich während der Novara-Expedition bewähren sollte und für die er auf internationalen maritimen Ausstellungen 1868 in Hâvre und 1871 in Neapel mit Medaillen ausgezeichnet wurde. In Italien gelang es ihm auch, den bis dahin verschollen geglaubten Sternkatalog Giuseppe Piazzis aufzufinden. Ab den späten 1830er-Jahren führte Karl Ludwig von Littrow systematisch Sternschnuppenbeobachtungen durch und konstruierte hierfür das „Meteoroskop“.

 

In den Fußstapfen seines Vaters

1842 folgte Karl Ludwig von Littrow seinem Vater als Direktor der Universitätssternwarte nach und machte diese rasch zum Zentrum nationaler und internationaler Gelehrter. Doch mehr und mehr wurden die baulichen Unzulänglichkeiten der alten Sternwarte am Dr. Ignaz-Seipel-Platz deutlich und auch finanzielle Schwierigkeiten beschränkten die Forschung zusehends auf Beobachtung und Bahnbestimmung von Planetoiden. Während der totalen Sonnenfinsternis vom 8. Juni 1842 sowie bei der 1851 in Deutschland stattfindenden Sonnenfinsternis beobachtete Littrow Protuberanzen und erkannte als einer der ersten den Zusammenhang zwischen diesen und Sonnenflecken.

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit fungierte Littrow von 1847 bis 1851 als Kommissär der Gradmessungsarbeiten der russischen Landvermessung und wurde 1869 zum Präsidenten der Meteorologischen Gesellschaft sowie zum Vorstandsmitglied der Astronomischen Gesellschaft in Deutschland gewählt. Ebenso setzte er die Herausgabe der von seinem Vater edierten „Annalen der k.k. Sternwarte in Wien“, als Publikationsorgan der astronomischen und meteorologischen Beobachtungen fort und gab das populärwissenschaftliche Paradewerk seines Vaters „Die Wunder des Himmels“ (3 Teile, 1834-36) neu heraus, das bis ins 20. Jahrhundert vielfach aufgelegt wurde. Die Universität Wien wählte Littrow für die Studienjahre 1849/50, 1857/58 und 1864/65 zum Dekan, für das Studienjahr 1870/71 zu ihrem Rektor.

 

Eine neue Sternwarte entsteht

Im Jahre 1819 hatte Joseph Johann Littrow die Lehrkanzel für Astronomie an der Universität Wien übernommen und wurde gleichzeitig zum Direktor der Universitätssternwarte bestellt. Mitten in der inneren Stadt waren die Beobachtungsmöglichkeiten durch Schornsteine, Kirchtürme, aber auch den ständigen Dunst allerdings damals schon stark eingeschränkt. Vehement bemühte sich Littrow daher um einen Neubau der Sternwarte am Stadtrand Wiens, doch zunächst ohne Erfolg. Im Biennium 1825/26 wurde auf sein Bestreben immerhin die alte Sternwarte abgetragen und durch einen zweckmäßigen Aufbau ersetzt, der einen großen Beobachtungssaal mit zwei Drehtürmen inkludierte. 1833 errichtete man noch einen dritten Beobachtungsturm. Doch diese halbherzigen Lösungen konnten die astronomischen Wissenschaftler nicht befriedigen und auch Karl Ludwig von Littrow waren die Missstände des alten Standorts der Universitätssternwarte schon lange ein Dorn im Auge. Im Jahre 1846 legte er daher den zuständigen Behörden Pläne für einen Neubau vor. Doch diese wurden wie schon zu Zeiten seines Vaters abgelehnt. Erst die Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten, die er nicht zuletzt dank seiner Gattin, der Schriftstellerin Auguste von Littrow, geb. Bischoff, (1819-1890), kennenlernte, machte es möglich, dass Littrow 1850 doch ein Konzept für einen Neubau präsentieren durfte. In den 1860er-Jahren überlegte man noch kurzfristig die Errichtung einer Sternwarte auf dem Dach der geplanten neuen Universität am Ring. Doch da dieses Vorhaben auch nicht realisiert wurde, war der Weg frei für Littrow. Als neuer Standort wurde der Sternwartepark auf der Türkenschanze, einer Anhöhe im Westen Wiens, gewählt. Mit der Ausführung wurde das Wiener Büro Fellner & Helmer, das auf Theaterbau spezialisiert war, beauftragt. Ab 1872 konnte Karl Ludwig von Littrow schließlich den Sternwarteneubau in die Wege leiten. Die Bauarbeiten erfolgten zwischen 1874 und 1879. Bei der feierlichen Eröffnung am 5. Juni 1883 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. verfügte die Sternwarte, die zu den größten Sternwartegebäuden der Welt zählt, über das damals größte je gebaute Linsenfernrohr. Littrow selbst durfte die Eröffnung nicht mehr erleben. Er verstarb nach längerer Krankheit am 16. November 1877 in Venedig.

Als Auszeichnung für Littrows vielfache Verdienste wählte ihn die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien 1848 zum korrespondierenden, 1853 zu ihrem wirklichen Mitglied. Ab 1858 gehörte er der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina an und war Mitglied zahlloser internationaler Gesellschaften, u. a. in London, Paris und Rom. 1867 wurde er zum Präsidenten der österreichischen meteorologischen Gesellschaft gewählt. Er erhielt außerdem das Ritterkreuz des kaiserlich-russischen St. Annen-Ordens II. Klasse sowie den königlich-dänischen Daneborg-Orden. Im Rundsaal der Universitätssternwarte in Wien-Währing befindet sich eine von Viktor Tilgner geschaffene Bronzebüste, im Arkadenhof der Universität Wien ist eine Doppelbüste zu sehen, die ihn mit seinem Vater zeigt.

 

Werke: s. Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften; Populäre Geometrie, 1839; Sternschnuppen und Kometen. Geschichte der Entdeckung des Zusammenhanges zwischen diesen beiden Gattungen von Himmelskörpern, 1867; Über Methoden, Länge und Mißweisung aus Circummeridianhöhen zu bestimmen, 1868 (auch Französisch und Englisch); Ueber das Zurückbleiben der Alten in den Naturwissenschaften, 1869; Die neue Sternwarte der Wiener Universität, 1874.

Literaturauswahl: Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 28, 1878, S. 193-211 (mit Bild und Werkverzeichnis); Edmund Weiss, Karl Ludwig Edler von Littrow, in: Annalen der Universitäts-Sternwarte Wien 27, 1878, S. 3-10; Viktor Oberguggenberger, in: Österreichische Naturforscher und Techniker, 1950, S. 31-35, bes. S. 34-35 (mit Bild); Konradin Ferrari d’Occhieppo, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, 5, 1972 (mit tw. Literaturverzeichnis); Ronald Wagner, Johann Josef Littrow (1781-1840) und Karl Ludwig Littrow (1811-1877), ihr Leben und Werk, Hausarbeit Institut für Geschichte, Univ. Wien, 1980; Theresia Mayerhofer, Der Lehrkörper der Philosophischen Fakultät der Universität Wien von 1848 bis 1873, Diss. Univ. Wien, 1982, S. 156-158; Silvia Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, Diss. Univ. Wien, 1984, S. 167-170; Angela Scheider, Auguste und Carl von Littrow. Detailstudie einer bürgerlichen Familie des 19. Jahrhunderts, Diss. Univ. Wien, 1999.

(Daniela Angetter)