Österreichisches Biographisches Lexikon

Biographie des Monats

Erzherzog Rainer - „Die Wissenschaft kennt keinen Unterschied der Völker und jede neue Erkenntnis gehört der ganzen Menschheit“.

Am 27. Jänner 2013 jährt sich der 100. Todestag von Erzherzog Rainer Ferdinand von Österreich. Der General der k. u. k. Armee und als nomineller Ministerpräsident Haupt des liberalen Kabinetts von Anton Ritter von Schmerling zählte zu den populärsten Mitgliedern des österreichischen Kaiserhauses. Abseits seiner militärischen und politischen Karriere galt er als bedeutender Förderer von Wissenschaft und Kunst.

 

Familiäres Umfeld

Erzherzog Rainer Ferdinand von Österreich (auch bekannt als Rainer der Jüngere) wurde am 11. Jänner 1827 in Mailand als dritter Sohn des Vizekönigs der Lombardei, Erzherzog Rainer Joseph Johann (1783-1853) und von Elisabeth von Savoyen-Carignan (1800-1856) geboren und im römisch-katholischen Glauben erzogen. 1852 heiratete er seine Cousine Erzherzogin Maria (Marie) Karolina (1825-1915), die Tochter von Erzherzog Karl Ludwig (1771-1847), des Siegers von Aspern 1809, und von Henriette Prinzessin von Nassau-Weilburg (1797-1829). Die Ehe blieb zwar kinderlos, galt jedoch als ausnehmend glücklich. Die Feierlichkeiten anlässlich der Diamantenen Hochzeit 1912 zählten zu den letzten gesellschaftlichen Großereignissen der ausgehenden Donaumonarchie.

Seine Kindheit verbrachte Erzherzog Rainer zumeist auf dem Schloss zu Monza, der damaligen Residenz der Habsburger in Oberitalien. Im Alter von 17 Jahren kam er nach Wien und begann mit juridischen Studien, vor allem Staats- und Völkerrecht.

 

Erzherzog Rainer als Soldat

1843 trat Erzherzog Rainer beim Infanterieregiment Nr. 1 in die Armee ein. 1852 kam er zum Kürassierregiment Nr. 6 und wurde noch im selben Jahr Inhaber des k. (u.) k. Infanterieregiments Nr. 59, das 1913 die Bezeichnung Erzherzog Rainer erhielt. - Zu Ehren dieses Regiments komponierte der Musik-Feldwebel Hans Schmid während des Ersten Weltkriegs den Rainermarsch, der 1915 in Olyka (Wolhynien) uraufgeführt wurde und noch gegenwärtig als zweite Landeshymne von Salzburg gilt. Die Tradition dieses Regiments wird heute vom Jägerbataillon Salzburg–Erzherzog Rainer des Österreichischen Bundesheeres fortgeführt. - 1852 auch Regimentskommandant des Kürassierregiments Nr. 7, wurde Erzherzog Rainer 1854 zum Generalmajor und Brigadier beim II. Armeekorps befördert und 1861 zum Feldmarschallleutnant ernannt. 1866 nahm er an der Seite seines Schwagers Erzherzog Albrecht an der für Österreich siegreichen Schlacht bei Custozza teil. Von 1872 bis 1906 war er Oberkommandierender der k. k. Landwehr, als deren Reorganisator er sich hervortat. Insbesondere setzte er sich erfolgreich für eine militärische Gleichstellung mit dem k. u. k. Heer ein. 1874 wurde er zum Feldzeugmeister ernannt, 1891 avancierte er zum Chef des königlich preußischen Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39.

 

 

Erzherzog Rainer als Politiker

Im Jahre 1857 wurde Erzherzog Rainer als Vertrauter Kaiser Franz Josephs I. zum Präsidenten des Reichsrats, des einzigen Beratungsgremiums des Herrschers während des Neoabsolutismus (1851–1860) ernannt. Freisinnig und liberal gesinnt, versuchte er den Kaiser in dieser Richtung hin zu beraten. Als Kaiser Franz Joseph I. 1859 selbst das Kommando am italienischen Kriegsschauplatz übernahm, bestimmte er Erzherzog Rainer zu seinem Vertreter in Wien. Nach der Niederlage gegen Italien wurde der Reichsrat zu einem „verstärkten Reichsrat“ erweitert, dessen Vorsitz Erzherzog Rainer übernahm. 1860 beauftragte er den damaligen Finanzminister Ignaz Freiherrn von Plener, den Entwurf für das Allerhöchste Handschreiben vom 17. Juli zu verfassen, das als Beginn der österreichischen Verfassungsära gilt und das dem Reichsrat das Recht der Zustimmung und Bewilligung von Steuern und sämtlicher staatlicher Finanz- und Kreditoperationen gewährte. Im Dezember 1860 wurde Anton Ritter von Schmerling vom Kaiser zum „Staatsminister“ berufen, Erzherzog Rainer übernahm nominell das Amt des Ministerpräsidenten dieser liberalen Regierung. Auf Grundlage des Oktoberdiploms von 1860 sollte der Übergang zum Konstitutionalismus erfolgen. Schmerling beauftragte Josef Anton Lasser Freiherr von Zollheim als Minister ohne Portefeuille und Johann von Perthaler mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die Erzherzog Rainer Anfang Februar 1861 dem Kaiser vorlegte. Sie wurde Ende Februar als so genanntes Februarpatent, das als Ausführungsgesetz zum Oktoberdiplom bezeichnet wurde und das Grundgesetz über die Reichsvertretung enthielt, veröffentlicht. 1865 trat das Kabinett Rainer-Schmerling primär wegen des Scheiterns seiner Ungarnpolitik zurück. Erzherzog Rainer saß ab 1867 als Mitglied der kaiserlichen Familie im Herrenhaus, übte aber keine politischen Funktionen mehr aus. Er blieb allerdings am politischen Geschehen weiter interessiert und zögerte beispielsweise nicht, massive Kritik an der Regierung Taaffe zu üben.

 

Erzherzog Rainer als Mäzen

Hochgebildet und weitgereist, galt Erzherzog Rainer, der sowohl ein begeisterter Reiter als auch bereits in jungen Jahren ein begabter Landschaftsmaler und Lithograph war, als Förderer von Kunst und Wissenschaft. Ab 1861 wirkte er als Kurator der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, deren Forschungsvorhaben und Unternehmungen er auf allen Gebieten der Geistes- und Naturwissenschaften unterstützte, wobei sein ganz besonderes persönliches Interesse der Geographie galt. 1911 spendete er der Akademie eine großzügige Summe (Erzherzog Rainer-Widmung) zur Finanzierung wissenschaftlicher Reisen. Vom Wiener Sammler und Teppichhändler Theodor Graf erwarb er die 1877/78 in Fayum, südwestlich von Kairo gefundenen Papyri und schenkte diese dem Kaiser 1899 zum Geburtstag. Diese Sammlung, die Rainers Namen trägt und rund 100.000 Objekte vom 15. Jahrhundert v. Chr. bis zum 14. Jahrhundert n. Chr. umfasst, darunter verschiedene Schriften literarischen Inhalts, Dokumente, Urkunden und Briefe, gelangte an die Hofbibliothek (heute Österreichische Nationalbibliothek). Ab 1863 war Erzherzog Rainer Protektor des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (heute Museum für Angewandte Kunst), an dessen Gründung er gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger-Edelberg maßgeblichen Anteil hatte. 1873 fungierte er als Kommissionspräsident der Wiener Weltausstellung.

1854 kaufte Erzherzog Rainer das Engelskirchnerpalais im heutigen 4. Wiener Gemeindebezirk, das spätere Erzherzog-Rainer-Palais, als Wohnsitz für die Familie. Als Sommerresidenz diente ihm die von Otto Wagner erbaute Villa des Gustav Ritter von Epstein in Baden, die 1873 in den Besitz des Erzherzogs überging. 1895 erbte er den Besitz der Fürstin Wilhelmine von Montléart auf dem Gallitzinberg und ließ dort ab 1903 das Schloss Wilhelminenberg erbauen. 1898 erbte er von seinem Bruder Erzherzog Leopold Ludwig Schloss Hernstein bei Baden, das heute dem bekannten Hernstein-Institut den Namen gibt.

Gemeinsam mit seiner Ehefrau unterstützte er zahlreiche karitative Aktivitäten. Beide galten als sehr kinderfreundlich und kümmerten sich intensiv um die Anliegen von Kindern und Jugendlichen, auch im eigenen Familienkreis.

Vielfach geehrt und ausgezeichnet, wurde Erzherzog Rainer 1852 Ritter des Ordens vom Goldenen Vließ, erhielt u. a. die Großkreuze des königlich-ungarischen St. Stephans-Ordens (1862), des toskanischen Ordens des heiligen Joseph, des königlich-großbritannischen Viktoria-Ordens, des Ordens der Württembergischen Krone sowie des königlich sizilianischen St. Ferdinand- und Verdienst-Ordens, war Ritter des russisch-kaiserlichen St. Andreas-, des St. Alexander-Newsky-, des weißen Adler- und des St. Annen-Ordens I. Klasse, des preußischen Hohen Ordens vom Schwarzen Adler und des Rothen Adlerordens I. Klasse sowie des bayerischen Ordens des Heiligen Hubertus. Ab 1860 Ehrenmitglied der k. k. Geographischen Gesellschaft in Wien, übernahm er ab 1896 das Protektorat dieser Gesellschaft und pflegte freundschaftliche Beziehungen zu deren Mitgliedern. 1861 wählte ihn die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien zu ihrem Ehrenmitglied, 1895 wurde er zum Ehrenmitglied der Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale in Wien, 1902 zum Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste ernannt. 1908 erhielt er die Franz von Hauer-Medaille. Die philosophische Fakultät der Universität Wien ernannte ihn 1902 zum Ehrendoktor, ebenso im selben Jahr die Technische Hochschule in Wien. Er starb am 27. Jänner 1913 und ist in der Kaisergruft (Kapuzinergruft) in Wien begraben.

 

Werke: Erzherzog Rainers Reisen durch Südtirol. Eine Sammlung von 52 Originalaquarellen aus den Jahren 1848 bis 1851, bearbeitet von Hugo Wetscherek, 2003. - Teilnachlass: Naturhistorisches Museum, Wien.

Literatur (Auswahl): Neue Freie Presse, 21. 2. 1902, 4. 5. 1906, 5. 3. 1911, 20. - 21. 2. 1912, 27. 1. - 2. 2. 1913; Mitteilungen der k.k. Geographischen Gesellschaft in Wien 56, 1913, S. 115-117; Oswald Redlich, Rede gehalten bei der Gedenkfeier der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften für … Erzherzog Rainer, in: Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 63, 1914, S. 355-363; Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas 4, 1979; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, 8, 1983 (mit Literaturverzeichnis); Dietlinde Fruehmann, Erzherzog Ferdinand 1827-1913. Eine Darlegung seines Lebens 1850-1913, phil. Diss. Wien, 1985; Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien 4, 1995; Gigi Beutler, Die Kaisergruft, 2001, S. 73; Theodor Brückler – Ulrike Nimeth, Personenlexikon zur Österreichischen Denkmalpflege (1850-1990), 2001; Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, ed. Brigitte Hamann, 2001 (mit Bild); Thomas Kletecka, Rainer Ferdinand, in: Neue Deutsche Biographie 21, 2003 (mit Literaturverzeichnis); Österreicher in der Welt die Welt in Österreich, ed. Ingrid Kretschmer – Gerhard Fasching, 2006, S. 20, 149 (mit Bild); Archiv der Technischen Universität, Kriegsarchiv, Universitätsarchiv, alle Wien.

(Daniela Angetter)


Abbildung 1: © Universitätsarchiv Wien; Abbildung 2 und 3: aus Privatbesitz

 

Stimmporträt Erzherzog Rainer: Ph 4-5, OEAW PHA CD 8/1: 2*

 

Die Aufnahme erfolgte am 22. November 1904 im Phonogrammarchiv der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften durch Fritz Hauser.

 

 Zur besseren Verständlichkeit der Tonwiedergabe lesen Sie bitte die nachstehende Transkription während des Abspielens!

 

Ph 4: Als ich vor dreiundvierzig Jahren das Protektorat über die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften übernahm, war diese eine junge, aber hoffnungserregende Institution. Seitdem hat sie ungezählte, wertvolle Publikationen der Öffentlichkeit übergeben und in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit immer weitere und weitere Kreise gezogen. Die große literarische Unternehmung, wie die Herausgabe der Kirchenväter, des „Thesaurus linguae latinae“, noch mehr aber die weitausgreifenden Forschungen auf ozeanographischem Gebiete, die Reiseunternehmungen nach Arabien, Brasilien, Madagaskar, dem Balkan und Kleinasien, die Erforschungen der römischen limes, die neuen magnetischen Aufnahmen und Erdbebenforschungen in Österreich, die Studien über die Pest, die Arbeiten des Phonogramm-Ateliers und manches andere haben mich mit wahrer Befriedigung erfüllt.

Ph 5: Und wenn die Akademie im letzten Dezennium sich zuerst mit den deutschen Akademien vereiniget, dann aber an der Begründung der internationalen Assoziation der Akademien kräftigen und erfolgreichen Anteil genommen hat, um auf diesem Wege Ziele zu verfolgen, die einem einzigen Staate naturgemäß unerreichbar sind, so sehe ich darin ein Verdienst, dessen Früchte noch nach den künftigen Generationen zugutekommen werden. Unter solchen Verhältnissen betrachte ich es seit dieser langen Reihe von Jahren als eine hohe Ehre, die Stelle des Protektors der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien einzunehmen.

* Veröffentlicht in: Gerda Lechleitner (Red.). 1999. Stimmporträts. (Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, herausgegeben von Dietrich Schüller: Gesamtausgabe der Historischen Bestände 1899–1950; Serie 2/OEAW PHA CD 8). Wien: VÖAW.