Franz Anton Ries

Musikdirektor der kurfürstlichen Hofkapelle (1755-1846)

Barbara Mülhens-Molderings (Köln)

Franz Anton Ries, Porträt, Ölgemälde von Johann Georg Schallenberg (1810-um 1894), 1841. (Beethoven-Haus Bonn)

Franz An­ton Ries war ein be­rühm­ter Bon­ner Mu­si­ker, dem zur Zeit des letz­ten Köl­ner Kur­fürs­ten Max Franz von Ös­ter­reich in der Re­si­denz Bonn die Hof­ka­pel­le un­ter­stand. Er war vä­ter­li­cher Freund und Gei­gen­leh­rer des jun­gen Lud­wig van Beet­ho­ven. S­ei­ne Söh­ne, der Kom­po­nist und Pia­nis­t Fer­di­nand Ries und der Gei­ger Hu­bert Ries (1802-1886) führ­ten die mu­si­ka­li­sche Tra­di­ti­on der Fa­mi­lie fort. Die Ent­wick­lung des bür­ger­li­chen Mu­sik­le­bens in der Stadt Bonn im frü­hen 19. Jahr­hun­derts ist oh­ne ihn nicht zu den­ken.

Franz An­ton Ries wur­de am 10.11.1755 als Sohn des kur­fürst­li­chen Hof­mu­si­kers und Kom­po­nis­ten Jo­hann Ries (1723-1784) und sei­ner Frau Jo­han­na Bey­er (ge­bo­ren 1717) in Bonn ge­bo­ren. Ein Jahr vor sei­ner Ge­burt war sein Va­ter, nach­dem er schon als Hoft­rom­pe­ter und Sän­ger ge­dient hat­te, zum Vio­li­nis­ten der Kur­k­öl­ni­schen Hof­ka­pel­le be­stellt wor­den. Von sei­nen vier Kin­dern er­grif­fen zwei den Be­ruf des Mu­si­kers. Franz An­ton wur­de wie der Va­ter Vio­li­nist, sei­ne äl­te­re Schwes­ter An­na Ma­ria (ge­bo­ren 1751) war ei­ne ta­len­tier­te So­pra­nis­tin und sang schon mit elf Jah­ren in der Hof­ka­pel­le.

Franz Ries er­hielt den ers­ten Mu­sik­un­ter­richt von sei­nem Va­ter und galt früh als Wun­der­kind auf der Vio­li­ne. Mit elf Jah­ren konn­te er ihn schon beim Dienst in der Hof­ka­pel­le ver­tre­ten und wur­de de­ren Mit­glied. Der Gei­ger Jo­hann Pe­ter Sa­lo­mon (1745-1815), eben­so Mit­glied der Hof­ka­pel­le und spä­ter be­rühm­ter Im­pre­sa­rio in Lon­don, soll „auf sei­ne Aus­bil­dung be­deu­tend ge­wirkt ha­ben". Im Früh­jahr 1778 wur­de ihm vom Kur­fürs­ten, bei Vor­aus­be­zah­lung sei­nes Ge­hal­tes, ein sechs­mo­na­ti­ger Ur­laub in Wien ge­währt, um sei­ne Kennt­nis­se auf das höchs­te Ni­veau der da­ma­li­gen Mu­sik­ent­wick­lung zu brin­gen. Dort be­tä­tig­te er sich als Quar­tett­spie­ler und So­list in der Ka­pel­le des Gra­fen Palf­fy. Sei­nen of­fen­bar sehr er­folg­rei­chen Auf­ent­halt in Wien konn­te er auf zwei Jah­re aus­deh­nen. Im Hof­be­richt von 1784 wird er als der bes­te Vio­li­nist (vor so­lo), von treff­li­cher Auf­füh­rung, noch jung und ver­hei­ra­tet be­schrie­ben.

Am 27.12.1783 hei­ra­te­te er An­na Horst (1761-1805). Aus die­ser Ehe gin­gen elf Kin­der her­vor, von de­nen der äl­tes­te Sohn Fer­di­nand und der jüngs­te Sohn Hu­bert als Mu­si­ker Be­rühmt­heit er­lang­ten.

1785/1786 gab Franz Ries Lud­wig van Beet­ho­ven Un­ter­richt im Gei­gen­spiel. Hier trat zum ers­ten Mal die au­ßer­ge­wöhn­li­che Im­pro­vi­sa­ti­ons­ga­be des ju­gend­li­chen Beet­ho­ven zu­ta­ge. Als Beet­ho­vens Mut­ter 1787 starb, un­ter­stütz­te Ries den jun­gen Kol­le­gen in vä­ter­li­cher Wei­se und wur­de sein ers­ter Be­schüt­zer. Das ging so­weit, dass er 1793/1794 für den in Wien wei­len­den Beet­ho­ven Ge­häl­ter in Emp­fang nahm, die für die Er­zie­hung sei­ner Ge­schwis­te­ren be­stimmt wa­ren, nach­dem Beet­ho­vens Va­ter ge­stor­ben war.

Mit an­de­ren an­ge­se­he­nen Hof­be­am­ten und Kol­le­gen des Ho­for­ches­ters grün­de­te er, zeit­le­bens ein Ver­fech­ter der Auf­klä­rung, 1787 die Bon­ner Le­se­ge­sell­schaft. 1790 emp­fing er, in­zwi­schen zum Kon­zert­meis­ter er­nannt, Jo­seph Haydn (1732-1795), als die­ser mit Ries’ ehe­ma­li­gem Leh­rer Jo­hann Pe­ter Sa­lo­mon auf dem Weg nach Lon­don in Bonn Sta­ti­on mach­te. 1791 über­nahm er die Stel­le des Mu­sik­di­rek­tors und da­mit die Lei­tung der ge­sam­ten Bon­ner Hof­mu­sik. Aus ei­ner zeit­ge­nös­si­schen Quel­le sind wir gut über sein da­ma­li­ges Wir­ken als Haupt der kur­fürst­li­chen Ka­pel­le un­ter­rich­tet: „Das Or­ches­ter war treff­lich be­setzt; be­son­ders gut wur­de das Pia­no und For­te und das Cre­scen­do in ob­acht ge­nom­men. Herr Ries, die­ser treff­li­che Par­ti­tur­le­ser, die­ser gro­ße Spie­ler vom Blatt weg, di­ri­gier­te mit der Vio­lin. Er ist ein Mann, der an der Sei­te Can­na­bichs steht, und durch sei­nen kräf­ti­gen, si­chern Bo­gen­strich al­len Geist und Le­ben gibt …".

1790/1791 fass­te der Kur­fürst den Plan, Go­des­berg (heu­te Stadt Bonn) in ei­nen mon­dä­nen Ba­de­ort zu ver­wan­deln und ver­schenk­te meh­re­re Grund­stü­cke zur Er­rich­tung von Lo­gier­häu­sern für die Ba­de­gäs­te. Franz Ries, ein­zi­ger pri­va­ter Bau­herr ne­ben dem Kur­fürs­ten selbst und ei­ner Bau­ge­sell­schaft, konn­te sein heu­te noch exis­tie­ren­des Haus als ers­ter fer­tig stel­len und er­hielt die vom Kur­fürs­ten aus­ge­setz­te Prä­mie von 1.000 Ta­lern.

Als 1794 die na­po­leo­ni­sche Ar­mee ins Rhein­land ein­mar­schier­te und der Kur­fürst flie­hen muss­te, lös­te sich die Hof­ka­pel­le auf. Auf aus­drück­li­chen Be­fehl des Kur­fürs­ten blieb Franz Ries in Bonn. Die Fol­gen der fran­zö­si­schen Be­set­zung wa­ren für ihn gra­vie­rend. Wie sein Sohn Fer­di­nand spä­ter an Louis Sp­ohr schrieb, ver­lor er durch den Krieg sei­ne Stel­le, Ge­halt, Ver­mö­gen und Frau. Sein Haus in Go­des­berg konn­te er hal­ten, je­doch dien­te es nun als Ka­ser­ne für die fran­zö­si­schen Sol­da­ten. Ab 1800 be­klei­de­te er für ei­ni­ge Jah­re den Pos­ten ei­nes Bon­ner Stadt­ra­tes. 1802 wur­de er von den fran­zö­si­schen Be­hör­den als Öko­nom des in der Nä­he von Go­des­berg ge­le­ge­nen sä­ku­la­ri­sier­ten Klos­ters Ma­ri­en­forst ein­ge­setzt und be­tä­tig­te sich als Guts­päch­ter und Steu­er­ein­neh­mer, um sei­ne wach­sen­de Fa­mi­lie zu er­näh­ren. 1805 starb dort sei­ne Frau. 1807 er­stei­ger­te er Tei­le des Klos­ter­ge­län­des, scheint sich aber we­ni­ge Jah­re spä­ter schon wie­der von ih­nen ge­trennt zu ha­ben.

1807 wur­de er zum Mu­sik­s­meis­ter am neu ge­grün­de­ten Bon­ner Ly­ze­um er­nannt. Als die Zei­ten sich ab 1808 lang­sam wie­der nor­ma­li­sier­ten, setz­te er sich für ei­ne Neu­be­le­bung des Bon­ner Mu­sik­le­bens ein, das in­fol­ge von Krieg und Be­sat­zung zum Er­lie­gen ge­kom­men war und or­ga­ni­sier­te so ge­nann­te Win­ter­kon­zer­te. Ei­nen Hö­he­punkt un­ter die­sen Kon­zert­aben­den nahm der 15.12.1810 ein, als Franz Ries im Rah­men ei­nes Pro­gramms, das aus­schlie­ß­lich Kom­po­si­tio­nen sei­nes Soh­nes Fer­di­nand vor­sah, des­sen ein­zi­ges Vio­lin­kon­zert (op.24) auf­führ­te. Bei­de schei­nen auch in Köln und an an­de­ren Or­ten des Rhein­lan­des gas­tiert zu ha­ben. Da­ne­ben gab er pri­va­ten Mu­sik­un­ter­richt.

1824 ver­kauf­te Franz Ries sei­nem Sohn Fer­di­nand das Go­des­ber­ger Haus, als die­ser von Lon­don nach Deutsch­land zu­rück­kehr­te. Zeit­wei­lig leb­te er mit ihm und ei­ni­gen sei­ner Kin­der dort oder im ehe­ma­li­gen Kur­fürst­li­chen Thea­ter ne­ben der Re­dou­te, de­ren Um­bau- und Re­no­vie­rungs­ar­bei­ten er für den neu­en eng­li­schen Be­sit­zer, ei­nen Freund von Fer­di­nand Ries, lei­te­te. Pe­ter Jo­seph Len­né un­d Ma­xi­mi­li­an Wey­he bei­de aus Bon­ner Hof­gärt­ner­fa­mi­li­en, be­rie­ten Va­ter und Sohn Ries bei der An­la­ge ei­nes Gar­tens im „eng­li­schen Stil" hin­ter den ehe­ma­li­gen Lo­gier­häu­sern. 1827 zog Franz Ries wie­der nach Bonn und er­teil­te trotz sei­nes Al­ters noch im­mer Mu­sik­un­ter­richt. Zu sei­nen Schü­lern (und Schü­le­rin­nen) zähl­te auch Jo­han­na Kin­kel. In den 20er und 30er Jah­ren nahm er re­gen An­teil an den Auf­füh­run­gen der Nie­der­rhei­ni­schen Mu­sik­fes­te, die sein Sohn acht Mal in Aa­chen, Köln un­d Düs­sel­dorf lei­te­te.

1838 er­schie­nen die „Bio­gra­phi­schen No­ti­zen über Lud­wig van Beet­ho­ven" von Franz Ger­hard We­ge­ler (1765-1848) und Fer­di­nand Ries. Sie wa­ren Herrn Franz Ries, ehe­mals kur­k­öl­ni­schem Mu­sik=Di­rec­tor zu Bonn, Beet­ho­ven’s ers­tem Be­schüt­zer ver­eh­rend und freund­lich ge­wid­met. Auch in der Vor­be­rei­tung des Nach­trags, den We­ge­ler zur Ent­hül­lung des Beet­ho­ven-Denk­mals in Bonn 1845 ver­öf­fent­lich­te, und in der Dis­kus­si­on um die Iden­ti­fi­ka­ti­on des Beet­ho­ven­schen Ge­burts­hau­ses spiel­te der al­te Ries als Zeit­zeu­ge ei­ne be­deu­ten­de Rol­le.

Fast 90-jäh­rig, äl­tes­ter noch le­ben­der Freund und Leh­rer Beet­ho­vens, wur­de Franz Ries 1845 als Eh­ren­gast beim 1. Beet­ho­ven­fest un­ter Bei­fall in den Fest­saal ge­tra­gen. Am Vor­abend war er von der Uni­ver­si­tät Bonn als be­deu­ten­der Bon­ner Mu­si­ker mit dem phi­lo­so­phi­schen Eh­ren­dok­tor aus­ge­zeich­net wor­den: Herr Ries (hat) ei­ne lan­ge Rei­he von Jah­ren hin­durch…für För­de­rung und Be­wah­rung der äch­ten Kunst in­ner­halb und au­ßer­halb un­se­rer Stadt, auf ei­ne Wei­se ge­wirkt, die all­ge­mein dank­bar an­er­kannt un­se­re Fa­kul­tät wohl be­rech­ti­gen dürf­te, in ihm ein gro­ßes still­wir­ken­des Ver­dienst zu eh­ren. In An­er­ken­nung sei­ner gro­ßen Ver­diens­te ver­lieh ihm im glei­chen Jahr Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1858) den preu­ßi­schen Ro­ten Ad­ler­or­den III. Klas­se.

Neun Ta­ge vor sei­nem 91. Ge­burts­tag, am 1.11.1846, starb Franz An­ton Ries in Bonn. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Al­ten Fried­hof der Stadt.

Literatur

Brau­bach, Max, Die Mit­glie­der der Hof­mu­sik un­ter den vier letz­ten Kur­fürs­ten von Köln, in: Kross, Sieg­fried/Schmidt, Hans, Col­lo­qui­um Ami­co­rum, Jo­seph Schmidt-Görg zum 70. Ge­burts­tag, Bonn 1967, S. 26-63.
Hen­se­ler, Theo­dor An­ton, Das mu­si­ka­li­sche Bonn im 19. Jahr­hun­dert, Bonn 1959.
Die Mu­sik in Ge­schich­te und Ge­gen­wart, All­ge­mei­ne En­zy­klo­pä­die der Mu­sik, hg. von Fried­rich Blu­me, 11 (1963), Sp. 490.
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, 2. Auf­la­ge, Bonn 2008, S. 255-256.
Thay­er A. W., Lud­wig van Beet­ho­vens Le­ben, Band 1, 2. Auf­la­ge, Ber­lin 1901.

Online

Eit­ner, Ro­bert, Ar­ti­kel „Ries", in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 28 (1889), S. 569-573. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Mülhens-Molderings, Barbara, Franz Anton Ries, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-anton-ries/DE-2086/lido/57cd203362e899.31398211 (abgerufen am 28.03.2024)