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Peter Minuit galt lange als der Gründer New Yorks und als bedeutendster Sohn der niederrheinischen Stadt Wesel. Obwohl er großen Anteil an der Entwicklung jener Siedlung hatte, aus der das heutige New York erwuchs, muss seine Bedeutung im Licht der Quellen heute differenzierter betrachtet werden. Lange Zeit vergessen, wird Minuit seit dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart in Wesel und in den Vereinigten Staaten verehrt. Um das Leben Minuits ranken sich zahlreiche Legenden. Anhand der wenigen erhaltenen zeitgenössischen Dokumente, die Aufschluss über sein Leben geben, lassen sich Mythos und ‚Wahrheit’ nur unzureichend voneinander trennen. Es existieren nur Schriftquellen, wie einige wenige Autographen Minuits, Briefe von Geschäftsfreunden und städtische Aufzeichnungen; Bilder oder Sachquellen zum Leben Minuits sind verloren.
Peter Minuit wurde nach 1584 und vor 1595 in Wesel geboren. Sein Vater war der wallonisch-reformierte Glaubensflüchtling Jean Minuit, der 1584 in den Kreis der Weseler Bürgerschaft aufgenommen wurde. Der wohlhabende Jean Minuit (französisch „Mitternacht") war vor der religiösen Unterdrückung der Reformierten in seiner Heimat in das tolerante Herzogtum Kleve ausgewichen. 1613 heiratete Peter Minuit die Kaufmannstochter Gertrud Raets und damit in eine wohlhabende Klever Familie ein. In Wesel arbeitete Minuit wohl selbst als Kaufmann. Eventuell war er auch als Diakon in der Armenpflege tätig, doch fehlen für diese Behauptung letztlich überzeugende Beweise. Aus dem Jahr 1614 ist bekannt, dass Minuit die Vormundschaft über die Kinder seiner verstorbenen Schwester Maria antrat.
1615 ist Minuit mit seiner Gattin Gertrud als Diamantschleifer in Utrecht nachgewiesen. Warum er Wesel verlassen hatte, ist unbekannt. Die Theorie, dass Minuit als besonders freiheitsliebender und in der Stadt bedeutender Bürger vor der vermeintlichen Unterdrückung durch spanische Truppen floh, die Wesel 1615 im Rahmen des Achtzigjährigen Kriegs besetzten, ist möglich, aber keineswegs gesichert. Diese Darstellung ist zwar bis heute populär, wahrscheinlicher ist aber, dass dem Kaufmann das Geschäftsklima in einer besetzten Stadt ungünstig erschienen sein dürfte. Im Jahr 1619 verzeichnet das Weseler Ratsprotokoll jedoch erneut eine Vormundschaftsübernahme Peter Minuits, und das Presbyterialprotokoll der reformierten Gemeinde in Wesel nennt für das Jahr 1620 einen Peter Minuit betreffenden Beschluss. In diesen Jahren könnte Minuit also trotz spanischer Besatzung wieder in Wesel ansässig gewesen sein.
Über die Zeit von 1620 bis 1624 ist nichts bekannt. Möglicherweise stand Minuit nach 1621 schon in Diensten der gerade gegründeten holländischen Handels- und Kolonialorganisation „Westindische Compagnie" (WIC), deren Aufgabe die wirtschaftliche Erschließung Amerikas und der Karibik war. Im Januar 1625 reiste Minuit im Auftrag der WIC nach Nieuw Amsterdam, der kleinen Hauptstadt der holländischen Kolonie Nieuw Nederland. Nieuw Amsterdam befand sich auf der Insel Manhattes, dem heutigen Manhattan in New York. Als Diamantenexperte sollte er die dortigen Bodenschätze erforschen und dem unfähigen Gouverneur der Kolonie zur Seite stehen. Minuit kam also in eine bereits bestehende, allerdings noch sehr kleine Kolonie, so dass von einer Gründung des Ortes als Keimzelle des späteren New York durch ihn nicht ernsthaft gesprochen werden kann.
Nachdem er sich für kurze Zeit wieder in Holland aufgehalten hatte, löste Minuit im Jahr 1626 den alten Gouverneur der Kolonie in seinem Amt ab. In seine Amtszeit fällt der Ausbau der Kolonie zu einer wirtschaftlich florierenden Außenstelle der WIC. Minuit trieb die Besiedelungspläne der WIC erfolgreich voran, indem er den Bau des Forts fortführte und es verstand, mit den Indianern friedlich und zumindest für die WIC und einige Kaufleute vor Ort gewinnbringend zusammenzuarbeiten. So stieg zum Beispiel in den Jahren 1629 bis 1632 die Zahl der jährlich aus der Kolonie in die Niederlande gelieferten Biberfelle von 5.913 auf 13.513 Stück, die der Otterfelle von 681 auf 1.661 Stück. 1628 wurde mit dem Aufbau einer Kirchengemeinde und im Jahre 1630 sogar mit der Errichtung eines Generaldirektorenhauses für die kleine Kolonie von immerhin 270 Siedlern begonnen. Weitere Tätigkeiten, die unter dem energischen Gouverneur verstärkt einsetzten, waren Experimente mit Saatgut und der Bau einer Pferdemühle. Auch beachtliche Mengen Holz wurden von Amerika nach Holland für die Schiffsbauindustrie verschickt. Ob allerdings die Gesamterträge der Kolonie zu einer Refinanzierung der Investitionen der WIC führten, ist zweifelhaft. Das Zusammenleben mit den Indianern gestaltete sich nicht immer friedlich. Kurz nach Übernahme der Kolonieleitung durch Minuit kam es zu Zusammenstößen zwischen Kolonisten und Indianern. Anders als viele Kolonisatoren vor und nach ihm versuchte Minuit jedoch, die unausweichlichen Probleme mit der zunehmend zurückgedrängten indigenen Bevölkerung friedlich und mit gegenseitigem Respekt zu lösen. Ob Minuit den Indianern aber tatsächlich Manhattan für eine bestenfalls symbolische Summe von 60 Gulden abkaufte, bleibt leider wie vieles in seinem Leben ungewiss. Es gibt nur einen indirekten, brieflichen Bericht über den berühmten Kaufakt, der in den Vereinigten Staaten noch heute als Beispiel für ein cleveres Geschäft mit besonders hoher Rendite gefeiert wird. In diesem Bericht nach Hörensagen wird zwar der Akt des Kaufs, nicht aber der Namen des Käufers erwähnt. Dass Minuit aber hier mit dem vertraglich besiegelten Kauf des eigentlich ohnehin schon besetzten Landes Rechtssicherheit schaffen wollte, ist zumindest denkbar.
Eine Intrige kostete Minuit im Jahr 1632 seinen Posten als Gouverneur. Er musste nach Amsterdam reisen und den Direktoren der WIC Rechenschaft über seine Leistungen als Gouverneur ablegen. Im Laufe der Anhörungen wurden gravierende Beschuldigungen gegenüber Minuits Amtsführung und Person erhoben, deren Stichhaltigkeit sich heute nicht mehr überprüfen lässt. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, er habe versucht, Kolonisten verhungern zu lassen. Weiterhin wurde behauptet, er sei ein Verschwender und sogar ein Zuhälter gewesen. Minuit wurde seines Amts enthoben und quittierte den Dienst in der WIC.
Nach seinem Abschied aus holländischen Diensten begab sich Peter Minuit zurück zu seiner Ehefrau Gertrud Raets, die wieder in Kleve wohnte. Zeitweise wohnte das Ehepaar auch in Emmerich. 1635 empfing Minuit das Bürgerrecht der Stadt Kleve.
Im Winter 1637/ 1638 begab er sich erneut auf eine Reise nach Amerika. Im Auftrag der „Skeppskompaniet", dem 1629/ 1630 gegründeten schwedischen Gegenstück zur WIC, sollte er nun auch für Schweden eine amerikanische Kolonie aufbauen. Zuvor hatte Minuit in einer Denkschrift die schwedischen Regierung für die Idee begeistern können, diese Kolonie in Nachbarschaft zu Nieuw Nederland zu etablieren. Minuit kaufte noch im Frühjahr 1638 den Lenape-Indianern am Fluss Minquaeskil – einem Seitenarm des heutigen Delaware-Flusses – Land ab, gründete dort die Kolonie Neu-Sweden und errichtete Fort Christina, das heutige Wilmington im Bundesstaat Delaware. Wilmington kann also mit mehr Recht als New York als eine Gründung Minuits angesehen werden. Im Sommer 1638 geriet Minuit mit einem seiner Schiffe während einer Geschäftsreise vor der westindischen Insel St. Christopher in einen Hurrikan und fand bei diesem Unglück den Tod. Minuit wurde etwa 44 Jahre alt.
Die schwedische Kolonie in Nordamerika wurde nach Minuits Tod noch von einigen Nachfolgern mit bescheidenem Erfolgen verwaltet. 1655 fiel sie in die Hände der Holländer unter ihrem bekannten Gouverneur Pieter Stuyvesant (1612-1672), deren Kolonie und damit auch der ehemals schwedische Teil im Jahre 1664 aber wiederum von den Engländern erobert wurde. Die Engländer benannten Nieuw Amsterdam in New York um.
Wenngleich vieles dafür spricht, dass Minuit eine außergewöhnliche Figur der Kolonialgeschichte war und insbesondere sein nicht zeittypisches Bemühen um ein friedliches Auskommen mit den Kolonisierten betont werden darf, sollte nicht übersehen werden, dass er dabei vor allem als gewinnorientierter Geschäftsmann handelte. Die fatalen Folgen der wirtschaftlichen Ausbeutung Amerikas, die mit dem Gewinnstreben tüchtiger Geschäftleute seiner Generation einsetzte und die mit der nahezu vollständigen Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner und ihrer Kultur sowie der rücksichtslosen Zerstörung der ursprünglichen Fauna und Flora enden sollte, werden für ihn nicht vorhersehbar gewesen sein.
Literatur
Arand, Tobias, Peter Minuit - Ein rheinischer Überseekaufmann im 17. Jahrhundert, in: Schöne Neue Welt. Rheinländer erobern Amerika, Wiehl 2001, S. 13-42.
Arand, Tobias, Mythos Peter Minuit - Leben und Nachleben des Weseler Kolonialpioniers; in: Jahrbuch Kreis Wesel 2008, S. 45-54.
Bakker, B., The Birth of New York. Nieuw Amsterdam 1624-1664, Amsterdam 1982.
Hoffecker, Carol E., New Sweden in America, Newark, London 1995.
Reinders, Clemens, Der Mann der Manhattan kaufte und andere Geschichten vom Niederrhein, Duisburg 2000.
Rink, Oliver A., Holland on the Hudson. An Economic and social History of Dutch New York, Ithaca, London 1986.
Online
Pohl, Meinhard, "Minuit, Peter", in Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 549. [Online]
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Arand, Tobias, Peter Minuit, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-minuit/DE-2086/lido/57c94f63e62944.26800963 (abgerufen am 24.04.2024)