Nikolaus Groß

Widerstandskämpfer (1898-1945)

Keywan Klaus Münster (Bonn)

Nikolaus Groß, Porträtfoto, undatiert. (Bistum Essen)

Der christ­li­che Ge­werk­schaf­ter und Wi­der­stands­kämp­fer Ni­ko­laus Franz Groß war ei­ne füh­ren­de Per­sön­lich­keit der Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­be­we­gung und be­tä­tig­te sich un­ter an­de­rem im Köl­ner Kreis  ge­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Sei­ne Kon­tak­te zu den Wi­der­stands­krei­sen um Carl Fried­rich Go­er­de­ler (1884-1945) und Ja­kob Kai­ser (1888-1961) führ­ten zur An­kla­ge und Ver­ur­tei­lung durch den Volks­ge­richts­hof. Groß wur­de am 23.1.1945 in Ber­lin-Plöt­zen­see hin­ge­rich­tet. 

Ni­ko­laus Groß wur­de am 30.9.1898 als Sohn des Schmie­des Ni­ko­laus Groß (1857-1946) und des­sen Ehe­frau Eli­sa­beth Groß, ge­bo­re­ne Na­ße (1861-1929), in Nie­der­we­ni­gern (heu­te Stadt Hat­tin­gen) ge­bo­ren. Nach dem Be­such der ka­tho­li­schen Volks­schu­le von 1905-1912 ar­bei­te­te er als Jung­ar­bei­ter in ei­nem Blech­walz­werk in Al­ten­dorf an der Ruhr (heu­te Bur­gal­ten­dorf in der Stadt Es­sen). Wäh­rend der Aus­bil­dung zum Berg­man­n ­trat er 1917 in den „Ge­werk­ver­ein Christ­li­cher Berg­ar­bei­ter Deutsch­land­s“ (GCBD) und we­ni­ge Mo­na­te spä­ter in die Zen­trums­par­tei ein. Der Front­dienst war ihm auf­grund sei­ner Berg­ar­bei­ter­tä­tig­keit er­spart ge­blie­ben. Die Kon­tak­te zu Ver­tre­tern der ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­be­we­gung führ­ten zu dem Ent­schluss, den bis­he­ri­gen Be­rufs­weg zu ver­las­sen und sich in den Dienst der christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten zu stel­len. 

Im Ju­ni 1920 er­hielt Groß ei­ne An­stel­lung als Ju­gend­se­kre­tär des GCBD in Ober­hau­sen. Nach meh­re­ren Ver­set­zun­gen und Er­fah­run­gen, die er in der Re­dak­ti­on des Es­se­ner Ge­werk­schafts­blat­tes „Berg­knap­pe“ ge­macht hat­te, wech­sel­te er 1923 auf die Stel­le ei­nes Be­zirks­se­kre­tärs in Zwi­ckau. Dort hei­ra­te­te er im Mai 1923 die eben­falls aus Nie­der­we­ni­gern stam­men­de Eli­sa­beth Koch (1901-1972). Die Fa­mi­lie - aus der Ehe gin­gen zwi­schen 1924 und 1934 sie­ben Kin­der her­vor - wur­de ne­ben sei­nem christ­lich-ge­werk­schaft­li­chen En­ga­ge­ment zum ma­ß­geb­li­chen Be­zugs­punkt sei­nes Le­bens. 

 

Span­nun­gen zwi­schen dem Schrift­lei­ter der „West­deut­schen Ar­bei­ter­zei­tun­g“ (WAZ), Wil­helm El­fes, und der Ver­bands­lei­tung der West­deut­schen ­Ar­bei­ter­ver­ei­ne ver­an­lass­ten den Ge­ne­ral­se­kre­tär des Ge­samt­ver­ban­des der christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten Deutsch­lands, Adam Ste­ger­wald (1874-1945), 1926 zu der For­de­rung, die Re­dak­ti­on der WAZ um ei­nen „Ge­werk­schafts­man­n“ zu er­gän­zen. Der Prä­ses des „West­deut­schen Ver­ban­des der Ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­be­we­gun­g“ in Mön­chen­glad­bach, Prä­la­t Ot­to Mül­ler, bot Groß die Re­dak­teurs­stel­le an, nach­dem ih­n ­die Es­se­ner GCBD-Zen­tra­le auf den jun­gen Ge­werk­schaft­ler auf­merk­sam ge­macht hat­te. Groß zö­ger­te nicht lan­ge und wech­sel­te zum 1.1.1927 in die Re­dak­ti­on; nur we­ni­ge Mo­na­te spä­ter lös­te er El­fes als Chef­re­dak­teur und Schrift­lei­ter ab. Zu­sam­men mit Mül­ler, dem Ver­bands­vor­sit­zen­den Jo­seph Joos (1878-1965) und dem Ver­bands­se­kre­tär Bern­hard Let­ter­haus über­nahm Groß da­mit fak­tisch die Lei­tung der „Ka­tho­li­schen ­Ar­beit­neh­mer-Be­we­gun­g“ (KAB). Die tie­fe Freund­schaft, die sich vor al­lem zwi­schen Mül­ler, Let­ter­haus und Groß ent­wi­ckel­te, führ­te da­zu, dass er in sei­nen Kol­le­gen die ent­schei­den­den Mit­strei­ter bei sei­ner kon­spi­ra­ti­ven Be­tä­ti­gung fand. 

Die Ar­beit bei der „West­deut­schen Ar­bei­ter­zei­tun­g“, 1935 um­be­nannt in „Kett­ler­wach­t“, stand gänz­lich im Zei­chen der po­li­ti­schen Ra­di­ka­li­sie­rung der spä­ten Wei­ma­rer Re­pu­blik. Be­reits vor der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am 30.1.1933 warn­te Groß vor der von KPD und NS­DAP ver­kör­per­ten an­ti­christ­li­chen Welt­an­schau­ung und De­mo­kra­tie­feind­lich­keit. Im No­vem­ber 1929 deu­te­te er die Er­fol­ge der NS­DAP bei der Wahl zum Pro­vin­zi­al­land­tag als „be­denk­li­che Ent­wick­lun­g“, die von man­geln­der „po­li­ti­schen Rei­fe und Ur­teils­fä­hig­keit“ zeu­ge. Als Ver­fech­ter und Ver­tre­ter des So­zi­al­ka­tho­li­zis­mus un­ter­strich er gleich­zei­tig die so­zi­al- und wirt­schafts­po­li­ti­schen Er­run­gen­schaf­ten der Wei­ma­rer Re­pu­blik, wäh­rend er ver­such­te, die Po­li­tik des Reichs­kanz­lers Hein­rich Brü­ning (1885-1970, Reichs­kanz­ler 30.3.1930-30.5.1932) zu ver­tei­di­gen. Im Zu­ge der Ver­le­gung der Ver­bands­zen­tra­le von Mön­chen­glad­bach nach Köln im Jah­re 1929 wur­de auch Ni­ko­laus Groß mit sei­ner Fa­mi­lie in der Dom­stadt­ ­an­säs­sig. 

Die Un­ter­schei­dung von Kom­mu­nis­mus  und Na­tio­nal­so­zia­lis­mus er­wies sich nach Groß als hin­fäl­lig. Der NS­DAP sei es schlie­ß­lich ge­lun­gen, gro­ße Tei­le der kom­mu­nis­ti­schen Ar­bei­ter­schaft für sich zu ge­win­nen - ganz im Ge­gen­satz zu den christ­lich und so­zi­al­de­mo­kra­tisch or­ga­ni­sier­ten Ar­bei­ter­mi­lieus. Die ma­ß­geb­li­che Ge­mein­sam­keit, der po­li­ti­sche Ex­tre­mis­mus, sei für de­ren An­hän­ger, aus­ge­nom­men ei­ner in­tel­lek­tu­el­len Füh­rungs­rie­ge, nicht mehr als „das Evan­ge­li­um der po­li­tisch und wirt­schaft­lich Pri­mi­ti­ven“. 

Auch wenn sich die Kri­tik so­wohl ge­gen Kom­mu­nis­ten, als auch Na­tio­nal­so­zia­lis­ten rich­te­te, nahm die NS­DAP nach den fol­gen­den Wahl­er­fol­gen rasch ei­nen weit­aus grö­ße­ren Platz in den Ar­ti­keln der WAZ ein. Mit der Ent­las­sung Brü­nings am 30.5.1932 rich­te­ten sich die­se An­grif­fe auf den Nach­fol­ger Franz von Pa­pen (1879-1969, Reichs­kanz­ler 1.6.-17.11.1932), doch wur­de kei­nes­wegs un­ter­las­sen, Adolf Hit­ler (1889-1945) als „fal­schen Pro­phe­ten“ zu gei­ßeln. Dar­über hin­aus sei der „Kol­lek­ti­vis­mus  und Pri­vat­ka­pi­ta­lis­mus“ ver­kör­pern­de Na­tio­nal­so­zia­lis­mus nicht nur ideo­lo­gisch, son­dern auch wirt­schaft­lich mit den Ide­en der ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­be­we­gung un­ver­ein­bar. Die Reichs­tags­wahl vom 6.11.1932 und der er­heb­li­che Stim­men­ver­lust der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ver­an­lass­te Groß zu ei­ner Pro­gno­se für das Jahr 1933: Spä­tes­tens Reichs­prä­si­dent Paul von Hin­den­burgs (1847-1934, Reichs­prä­si­dent  1925-1934) Ab­sa­ge vom 13.8.1932, Hit­ler das Amt  des Reichs­kanz­lers zu über­tra­gen ha­be ge­zeigt, dass die NS­DAP ih­ren Ze­nit längst über­schrit­ten ha­be. 

Die sieben Kinder der Familie Groß, von links: Alexander, Marianne, Leni, Berny, Liesel, Klaus und Bernhard, 1942. (Bistum Essen)

 

Nach dem 30.1.1933 ori­en­tier­te sich Ni­ko­laus Groß zu­nächst am Kurs des Epis­ko­pats und ver­trat da­mit auch Hoff­nun­gen auf ein kir­chen­po­li­ti­sches Ar­ran­ge­ment. Die Kon­fron­ta­ti­on mit dem to­ta­li­tä­ren An­spruch des NS-Re­gime ließ ihn je­doch rasch da­von ab­rü­cken und in zahl­rei­chen Leit­ar­ti­keln ge­gen die „neu­er­li­che“ Aus­prä­gung des Staa­tes pro­tes­tie­ren. Da­bei kam ihm die Fä­hig­keit zu­gu­te, Kri­tik hin­ter re­li­giö­sen und his­to­ri­schen Me­ta­phern so­wie Zi­ta­ten aus der Li­te­ra­tur zu ver­ber­gen. Das oft­mals als Schwei­gen miss­ver­stan­de­ne „un­ei­gent­li­che Spre­chen“ (Tho­mas Bre­chen­ma­cher) bot den be­tei­lig­ten öf­fent­li­chen Wür­den­trä­gern im Not­fall den in­ter­pre­ta­to­ri­schen Aus­weg. Be­reits im Früh­jahr 1933 zi­tier­te Groß aus ei­nem Fas­ten­hir­ten­brief des Main­zer Bi­schofs Wil­helm Em­ma­nu­el Frei­herr von Ket­te­ler (1811-1877), der 1873 pos­tu­liert hat­te, dass es zum „Ge­dei­hen mensch­li­cher Ver­hält­nis­se“ ei­ner­seits ei­ner ge­ord­ne­ten Staats­ge­walt, an­de­rer­seits aber auch der Frei­heit  be­dür­fe, sei­nen re­li­giö­sen, po­li­ti­schen und wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen nach­zu­ge­hen. Glei­cher­ma­ßen re­agier­te die Re­dak­ti­on der WAZ auf den un­ver­hoh­le­nen An­ti­se­mi­tis­mus  der neu­en Macht­ha­ber, in­dem bei­spiels­wei­se auf die ho­he Zahl der im Ers­ten Welt­krieg ge­fal­le­nen jü­di­schen Sol­da­ten hin­ge­wie­sen wur­de oder man in of­fen­bar rein theo­lo­gi­schen Ar­ti­keln vom „aus­er­wähl­ten Vol­k“ sprach. 

Auch wenn Groß ver­such­te, die Exis­tenz der WAZ auf for­ma­lem We­ge zu si­chern, litt die­se un­ter dem „Stig­ma“, Ver­bands­or­gan der KAB zu sein. Die­se Tat­sa­che spie­gel­te sich in der ge­ne­rel­len Si­tua­ti­on der ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­ver­ei­ne wi­der, die Ro­bert Ley be­reits kurz nach der „Macht­er­grei­fung“ al­s „staats­feind­li­ch“ ge­brand­markt hat­te. Den grund­le­gen­den Ant­ago­nis­mus von KAB und DAF ver­moch­ten auch ver­mehr­te Ein­ga­ben des Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz, des Bres­lau­er Kar­di­nals Adolf Ber­tram (1859-1945, Epis­ko­pat als Fürst-Erz­bi­schof von Bres­lau 1914-1945) nicht zu ver­ber­gen. So wur­de im April 1934 ei­ne ent­spre­chen­de Dop­pel­mit­glied­schaft ge­setz­lich ver­bo­ten, was für die Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se vie­ler ka­tho­li­scher Ar­bei­ter fa­ta­le Fol­gen hat­te. 

Im Jah­re 1938 ging das Re­gime ganz of­fen ge­gen die „Ket­te­ler­wach­t“ vor. Dem un­be­fris­te­ten Ver­bot vom 14. März lag der Leit­ar­ti­kel "Welt­an­schau­ung und Le­ben" des Köl­ner Gym­na­si­al­leh­rers Hein­rich Holz­ap­fel zu­grun­de, der den na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen An­spruch, al­le Le­bens­be­rei­che der Men­schen zu um­fas­sen, ab­lehn­te. Die­se Hal­tung sei - so die Ge­hei­me Staats­po­li­zei Köln - ge­eig­net, die öf­fent­li­che Ru­he und Ord­nung zu stö­ren. Mit­ ­Un­ter­stüt­zung des Köl­ner Erz­bi­schof­s Jo­seph Kar­di­nal Schul­te ge­lang es Ot­to Mül­ler und Groß, der die Ver­ant­wor­tung für den Bei­tra­g ­über­nom­men hat­te, im Au­gust 1938, die Wie­der­zu­las­sung des Blat­tes zu er­wir­ken. Trotz der er­neu­ten Ein­engung des pu­bli­zis­ti­schen Spiel­rau­mes ge­lang es dem Chef­re­dak­teur, sei­ne Ar­beit wie­der­auf­zu­neh­men. Viel­leicht war es ge­ra­de des­sen Ef­fi­zi­enz und der un­ge­bro­che­ne Ein­fluss der Ver­bands­zei­tung, die den Aus­schlag da­zu gab, die „Ket­te­ler­wach­t“ noch im sel­ben Jahr voll­stän­dig zu zer­schla­gen. 

Nach dem Weg­fall der Zei­tung gab Groß vor­ran­gig re­li­giö­se Klein­schrif­ten her­aus, schei­ter­te je­doch spä­tes­tens 1941 mit dem Ver­such, die Wirk­macht des Ver­band­or­gans auf die­sem We­ge zu kom­pen­sie­ren, da dem Ket­te­ler-Haus an­geb­lich kriegs­be­dingt die Pa­pier­zu­tei­lung ge­stri­chen wur­de. Zu­dem wid­me­te sich Groß seit 1938 der Män­ner­seel­sor­ge, wo­zu er ver­mehrt nach Ful­da zu Bi­schof Jo­hann Bap­tist Dietz (1879-1959, Epis­ko­pat 1939-1958) reis­te. Hier lern­te er den Je­sui­ten­pa­ter Al­fred Delp (1907-1945) ken­nen, über den die ma­ß­geb­li­che Ver­bin­dung zum Krei­sau­er Kreis  zu­stan­de kam. 

Der zu­nächst als Dis­kus­si­ons­zir­kel ge­plan­te und von Groß mit ge­präg­te „Köl­ner Kreis“, der sich aus christ­li­chen Ge­werk­schaf­tern und ehe­ma­li­gen Zen­trums­po­li­ti­kern zu­sam­men­setz­te, ent­wi­ckel­te ein brei­tes, über­re­gio­na­les Netz an Ver­bin­dun­gen zu Op­po­si­ti­ons­krei­sen. Die­se ver­schaff­ten sich ge­gen­sei­ti­gen Zu­griff auf ihr je­wei­li­ges Per­so­nal­re­ser­voir. Ne­ben den Ge­sprä­chen im Köl­ner Ket­te­ler-Haus oder in der Pri­vat­woh­nung von Groß, in de­nen be­reits vor dem Krieg über die Aus­ge­stal­tung Deutsch­lands nach dem En­de der NS-Herr­schaft de­bat­tiert wur­de, ver­stärk­ten sich vor al­lem die Kon­tak­te zum Krei­sau­er Kreis und der Op­po­si­ti­ons­grup­pe um Carl Fried­rich Go­er­de­ler, der mit den Ver­schwö­rern des 20. Ju­li 1944 zu­sam­men­ar­bei­te­te. Cha­rak­te­ris­tisch für die Be­zie­hun­gen der Krei­se war ei­ne re­ge Be­suchstä­tig­keit, die bei­spiels­wei­se  im Herbst 1943 zu ei­nem Tref­fen zwi­schen Go­er­de­ler, Groß, Let­ter­haus, Kai­ser und Mül­ler im Köl­ner Ket­te­ler-Haus führ­te, um über die per­so­nel­le Aus­ge­stal­tung West­deutsch­lands nach dem En­de des NS-Re­gimes zu dis­ku­tie­ren. An­schlie­ßend reis­te Groß auf Bit­ten Ja­kob Kai­sers im No­vem­ber 1943 nach Saar­brü­cken, um den ehe­ma­li­gen Re­gie­rungs­kom­mis­sar und christ­li­chen Ge­werk­schaf­ter Bar­tho­lo­mä­us Ko­ß­mann (1883-1952) für das Amt ei­nes Po­li­ti­schen Be­auf­trag­ten zu ge­win­nen. 

Auch wenn Groß nicht als der füh­ren­de Kopf des Köl­ner Krei­ses gel­ten kann, so über­nahm er doch ent­schei­den­de or­ga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­ben. Nicht zu­letzt prä­des­ti­nier­ten ihn sei­ne gu­te Ver­net­zung und So­zi­al­kom­pe­tenz, zum Kno­ten­punkt ei­nes über­re­gio­na­len Ver­bin­dungs­net­zes, der auch in die Be­ra­tun­gen und per­so­nel­len An­wer­bun­gen der Krei­se ein­be­zo­gen wur­de. Die aus den ei­gen­stän­di­gen Per­so­nal­de­bat­ten des Köl­ner Krei­ses her­vor­ge­gan­ge­nen Über­le­gun­gen hielt Groß zu­sam­men mit Wil­helm El­fes in zwei Denk­schrif­ten fest („Die gro­ßen Auf­ga­ben“ und „Ist Deutsch­land ver­lo­ren?“). Die­se tru­gen spä­ter ma­ß­geb­lich zu sei­ner Ver­ur­tei­lung bei, sind je­doch lei­der nicht er­hal­ten. 

Nikolaus Groß mit Bernhard Letterhaus und Hermann-Joseph Schmitt, undatiert. (Bistum Essen)

 

Nach dem miss­lun­ge­nen At­ten­tat vom 20. Ju­li 1944 wur­de Groß am 12.8.1944 Op­fer der „Ak­ti­on Ge­wit­ter“. Let­ter­haus, der den ent­schei­den­den Kon­takt zu Go­er­de­ler ge­knüpft hat­te, war be­reits am 25.7.1944 ver­haf­tet wor­den. Zu­nächst wur­de Groß in der Si­cher­heits­po­li­zei­schu­le Drö­gen bei Fürs­ten­berg in Meck­len­burg, ei­ner Au­ßen­stel­le des Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger  Ra­vens­brück, in­haf­tiert. Nach Ver­hö­ren, die un­ter dem be­rüch­tig­ten Kri­mi­nal­rat Her­bert Lan­ge (1909-1945) vor al­lem auf Fol­ter und Er­pres­sun­gen ba­sier­ten, ver­leg­te die Ge­sta­po Groß in die Haft­an­stalt Ber­lin-Te­gel. Die un­ter Fol­ter zu­stan­de ge­kom­me­nen Aus­sa­gen hat­ten der­weil zur Ver­haf­tung von Ot­to Mül­ler ge­führt. 

Groß selbst wur­de am 15.1.1945 vor dem Volks­ge­richts­hof un­ter Vor­sitz von Ro­land Freis­ler (1893-1945) der Pro­zeß ge­macht. Ob­wohl we­gen der Be­tei­li­gung an Go­er­de­lers Ver­schwö­rung an­ge­klagt, war Groß Teil ei­nes Sam­mel­pro­zes­ses ge­gen An­ge­hö­ri­ge des Krei­sau­er Krei­ses. Gna­den­ge­su­che blie­ben un­be­ant­wor­tet. Die ge­gen­über sei­ner Frau ge­äu­ßer­te Er­war­tung ei­ner lan­gen, viel­leicht auch le­bens­lan­gen Haft­stra­fe, wur­de bit­ter ent­täuscht. Zwar ge­stand er sei­ne Ta­ten, äu­ßer­te je­doch, sich als „Nicht­aka­de­mi­ker […] über de­ren Trag­wei­te nicht klar­ge­wor­den zu sein“. Den­noch sei er - so Freis­ler – „ge­nau über Ein­zel­hei­ten des Go­er­de­ler-Ver­ra­tes“ un­ter­rich­tet ge­we­sen. Im To­des­ur­teil ge­gen ihn hieß es: „Er schwamm mit im Ver­rat, muß folg­lich auch dar­in er­trin­ken“. Ni­ko­laus Groß wur­de am 23.1.1945 in Ber­lin-Plöt­zen­see durch Er­hän­gen hin­ge­rich­tet. Sei­ne Lei­che wur­de ver­brannt und die Asche über Rie­sel­fel­der ver­streut. 

Nikolaus Groß vor dem Volksgerichtshof, 15.1.1945. (Bistum Essen)

 

Am 7.10.2001 sprach Papst Jo­han­nes Paul II. (Pon­ti­fi­kat 1978-2005) Ni­ko­laus Groß se­lig. Im Es­se­ner Dom wird sei­ner in ei­ner Ka­pel­le ge­dacht. Stra­ßen (so in Ber­lin, Duis­burg, Es­sen, Ful­da, Köln, Lin­gen, Mön­chen­glad­bach, Ober­hau­sen), Kin­der­gär­ten, Schu­len und so­zia­le Ein­rich­tun­gen (bei­spiels­wei­se das Ni­ko­laus-Groß-Haus in Köln) tra­gen sei­nen Na­men, Denk­mä­ler er­in­nern an ihn. Das Ni­ko­laus-Groß-Haus in Hat­tin­gen-Nie­der­we­ni­gern do­ku­men­tiert sein Le­ben. 

Quellen

Aretz, Jür­gen (Hg.), Christ - Ar­bei­ter­füh­rer - Wi­der­stands­kämp­fer. Brie­fe aus dem Ge­fäng­nis, 4. Auf­la­ge, Müns­ter 2009.

Literatur

Aretz, Jür­gen, Ni­ko­laus Groß (1898-1945), in: Aretz, Jür­gen./Mor­sey, Ru­dolf/Rau­scher, An­ton (Hg.), Zeit­ge­schich­te in Le­bens­bil­dern. Aus dem deut­schen Ka­tho­li­zis­mus des 19. und 20. Jahr­hun­derts, Band 4, Mainz 1980. S. 159-171.
Buch­stab, Gün­ter/Kaff, Bri­git­te/Klein­mann, Hans-Ot­to, Ver­fol­gung und Wi­der­stand 1933-1945. Christ­li­che De­mo­kra­ten ge­gen Hit­ler, Düs­sel­dorf 1986.
Bü­cker, Ve­ra/Na­dorf, Bern­hard/ Pott­hoff, Mar­kus (Hg.), Ni­ko­laus Groß. Ar­bei­ter­füh­rer - Wi­der­stands­kämp­fer - Glau­bens­zeu­ge. Wie sol­len wir vor Gott und un­se­rem Volk be­ste­hen? Der po­li­ti­sche und so­zia­le Ka­tho­li­zis­mus im Ruhr­ge­biet 1927 bis 1949, Müns­ter 2001.
Bü­cker, Ve­ra, Der ­K­öl­ner Kreis und sei­ne Kon­zep­ti­on für ein Deutsch­land nach Hit­ler, in: His­to­risch-Po­li­ti­sche Mit­tei­lun­gen 2 (1995), S. 49-82 (Auch On­line ­ver­füg­bar)
Bü­cker, Ve­ra, Ni­ko­laus Groß. Po­li­ti­scher Jour­na­list und Ka­tho­lik im Wi­der­stand des Köl­ner Krei­ses, Müns­ter 2003.
Ja­cob­sen, Hans-Adolf (Be­arb.), Op­po­si­ti­on ge­gen Hit­ler und der Staats­streich vom 20. Ju­li 1944. Ge­hei­me Do­ku­men­te aus dem ehe­ma­li­gen Reichs­si­cher­heits­haupt­amt, Band 2, Stutt­gart 1989.
Mor­sey, Ru­dolf. Christ­li­che De­mo­kra­ten in Emi­gra­ti­on und Wi­der­stand 1933-1945, Köln 1987.

Online

Haus­mann, Ja­kob, Groß, Ni­ko­laus Franz, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 7 (1966), S. 144. [On­line]
Ni­k­lo­laus Groß auf der Home­page der Ge­denk­stät­te Deut­scher Wi­der­stand. [On­line]

Die Hinrichtungsstätte in Berlin Plötzensee, 1945. (Bistum Essen)

 
Zitationshinweis

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Münster, Keywan Klaus, Nikolaus Groß, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/nikolaus-gross-/DE-2086/lido/57c6d83230cf07.22797539 (abgerufen am 29.03.2024)