William Thomas Mulvany

Ingenieur, Industrieller und Verbandspolitiker (1806–1885)

Michael A. Kanther (Duisburg)

William Thomas Mulvany, vor 1885. (Zeitschrift 'Stahl und Eisen', Nr. 12, Dezember 1885, Seite 820)

Der Ire Wil­liam Tho­mas Mul­va­ny ge­hört zu den gro­ßen In­dus­trie­pio­nie­ren und frü­hen Ge­stal­tern des Ruhr­ge­bie­tes. Als er 1855 nach West­deutsch­land kam, um die Lei­tung der neu­ge­grün­de­ten Ze­che Hi­ber­nia in Gel­sen­kir­chen zu über­neh­men, hat­te er be­reits ei­ne 29-jäh­ri­ge Lauf­bahn als Bau- und Pla­nungs­be­am­ter im bri­tisch-iri­schen Staats­dienst hin­ter sich. In kur­zer Zeit wur­de er zu ei­nem an­er­kann­ten Ex­per­ten im Berg­fach. Ge­lern­ter Ver­mes­sungs­tech­ni­ker und Was­ser­bau­in­ge­nieur, hat­te Mul­va­ny schon in Ir­land die Über­zeu­gung ge­won­nen, dass die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung ei­ner Re­gi­on oder ei­nes Lan­des sehr stark von der Ge­stal­tung der Ver­kehrs­sys­te­me, ins­be­son­de­re der Was­ser­we­ge, be­ein­flusst wur­de; das be­schäf­tig­te ihn auch im rhei­nisch-west­fä­li­schen In­dus­trie­ge­biet. Mul­va­nys Axi­om war die Iden­ti­tät der In­ter­es­sen al­ler am Wirt­schafts­pro­zess be­tei­lig­ten Kräf­te, der Pro­du­zen­ten wie der Händ­ler und der Trans­port­un­ter­neh­men. Auch als Un­ter­neh­mer be­hielt er et­was von dem Ethos des Staats­die­ners, was in Ver­bin­dung mit dem Fest­hal­ten an lang­fris­ti­gen Ent­wick­lungs­zie­len zu Kon­flik­ten mit den an ra­scher Ren­di­te in­ter­es­sier­ten Ze­chen-In­ves­to­ren führ­te.

Wil­liam Tho­mas Mul­va­ny wur­de am 11.3.1806 als Sohn des Ma­lers und Di­rek­tors der Roy­al Hi­ber­ni­an Aca­de­my in Dub­lin, Tho­mas Ja­mes Mul­va­ny (1779–1845), und sei­ner Ehe­frau Ma­ry Mul­va­ny ge­bo­re­ne Field (1779–1865) in San­dy­mount bei Dub­lin ge­bo­ren. Nach dem Schul­be­such be­gann er 1823 das Stu­di­um der Me­di­zin, das er je­doch aus fi­nan­zi­el­len Grün­den nach kur­zer Zeit ab­bre­chen muss­te. 1824/1825 wur­de er zum tech­ni­schen Zeich­ner aus­ge­bil­det. En­de 1826 er­hielt er ei­ne An­stel­lung in dem mit der Ver­mes­sung der iri­schen In­sel be­auf­trag­ten Ver­mes­sungs­dienst der bri­ti­schen Ar­mee (Ord­nan­ce Sur­vey), aus dem er nach kur­zer Zeit in den zi­vi­len Grenz­ver­mes­sungs­dienst (Boun­da­ry Sur­vey) über­trat. Die Ver­mes­sung von Stra­ßen, We­gen und Gren­zen blieb in den fol­gen­den zehn Jah­ren sein be­ruf­li­cher All­tag. In ei­ne ka­tho­li­sche Fa­mi­lie hin­ein­ge­bo­ren, kon­ver­tier­te Mul­va­ny um 1825, wahr­schein­lich aus be­ruf­li­chen Grün­den, zur an­gli­ka­ni­schen Kon­fes­si­on. Am 28.5.1832 hei­ra­te­te er Ali­cia Wins­low (1800–1886), die Toch­ter ei­nes ka­tho­li­schen Gro­ßgrund­be­sit­zers aus der Graf­schaft Fer­ma­nagh. Aus der Ehe gin­gen fünf an­gli­ka­nisch er­zo­ge­ne Kin­der her­vor. Den Va­ter über­leb­ten die Töch­ter Ali­cia An­na (1835–1898) und An­na­bel­la Ca­the­ri­ne (1837–1917) so­wie der Sohn Tho­mas Ro­bert (1839–1907).

1836 stell­te das fünf Jah­re zu­vor ge­grün­de­te Board of Pu­blic Works in Dub­lin Mul­va­ny als Zi­vil­in­ge­nieur ein. In die­ser Po­si­ti­on war er mit der Re­gu­lie­rung des Shan­non be­fasst, die be­zweck­te, die oft auf­tre­ten­den Über­flu­tun­gen der Ufer­ge­bie­te zu ver­hin­dern und den Fluss als Ver­kehrs­weg aus­zu­bau­en. Sein ad­mi­nis­tra­ti­ves und tech­ni­sches Ge­schick, das da­bei zu­ta­ge trat, brach­ten ihm 1842 die Be­ru­fung zum Lei­ter der iri­schen Ent­wäs­se­rungs­ar­bei­ten ein. 1846 hol­te die bri­tisch-iri­sche Re­gie­rung Mul­va­ny in die Be­hör­de für öf­fent­li­che Bau­ten, die da­mals er­heb­lich aus­ge­baut wur­de, weil sie in An­be­tracht von Miss­ern­ten und der da­mals ganz Ir­land er­fas­sen­den Gre­at Fa­mi­ne (1846/1847) Not­stands­ar­bei­ten or­ga­ni­sie­ren muss­te. Wäh­rend und nach der gro­ßen Hun­gers­not nah­men die von Mul­va­ny ge­lei­te­ten und auch bis 1847 als Not­stands­ar­bei­ten zur Ein­däm­mung der Ar­beits­lo­sig­keit fun­gie­ren­den Me­lio­ra­tio­nen grö­ß­te Aus­ma­ße an und wur­den den Grund­be­sit­zern, die letzt­lich die Ar­bei­ten fi­nan­zie­ren muss­ten, zu ei­nem wach­sen­den Är­ger­nis, das sie auf po­li­ti­schem We­ge er­folg­reich be­kämpf­ten. Nach ei­nem Re­gie­rungs­wech­sel wur­de Mul­va­ny 1853 in sei­ner Be­hör­de ent­mach­tet und ver­ließ im fol­gen­den Jahr im Al­ter von 48 Jah­ren den Staats­dienst.

Über ei­nen in Bel­gi­en le­ben­den Lands­mann, Mi­cha­el Corr van der Mae­ren (1802–1878), er­reich­te ihn das An­ge­bot, als Re­prä­sen­tant die Lei­tung der 1854 mit eng­li­schem und iri­schem Ka­pi­tal ge­grün­de­ten Ge­werk­schaft Hi­ber­nia (la­tei­nisch für Ir­land) in Gel­sen­kir­chen zu über­neh­men. Ob­schon im Berg­fach un­er­fah­ren, nahm er an und über­sie­del­te mit sei­ner Fa­mi­lie nach Düs­sel­dorf. 1856 wur­de auch die Ge­werk­schaft Sham­rock in Her­ne, eben­falls ei­ne Grün­dung iri­scher Ka­pi­tal­ge­ber (ins­be­son­de­re der Fa­mi­li­en Mal­com­son und Per­ry), Mul­va­nys Lei­tung an­ver­traut, der sich selbst an bei­den Un­ter­neh­men ka­pi­tal­mä­ßig be­tei­lig­te. Sein neu­er Ehr­geiz rich­te­te sich dar­auf, aus Hi­ber­nia und Sham­rock tech­no­lo­gisch mo­derns­te und pro­fi­ta­bel ar­bei­ten­de Mus­ter­ze­chen zu ma­chen. Mul­va­ny war im Ruhr­ge­biet nicht der ein­zi­ge, der mo­der­ne nord­eng­li­sche Berg­bau­tech­nik im­por­tier­te, aber er führ­te mit der Un­ter­stüt­zung der preu­ßi­schen Berg­be­hör­den die Ver­wen­dung guss­ei­ser­ner Rin­ge (Tub­bings) beim Schacht­bau ein – ei­ne sehr wich­ti­ge In­no­va­ti­on. Die Ze­che Hi­ber­nia nahm 1858 die För­de­rung auf ih­rer Schacht­an­la­ge 1 auf, Sham­rock för­der­te seit 1860.

Die von Mul­va­ny ge­lei­te­ten Ze­chen gal­ten An­fang der 1860er Jah­re als die mo­derns­ten Be­trie­be ih­rer Art, gar als der „Stolz West­fa­len­s“; ih­re ers­ten Be­leg­schaf­ten be­stan­den zum gro­ßen Teil aus Eng­län­dern und Iren. Der of­fen­kun­di­ge Nut­zen der Ein­füh­rung der Tub­bings und an­de­rer eng­li­scher Er­fin­dun­gen im Ruhr­ge­biet trug Mul­va­ny rasch ho­hes An­se­hen un­ter den deut­schen In­dus­tri­el­len der Re­gi­on ein. 1858 wähl­te man ihn in den Vor­stand des Ver­eins für die berg­bau­li­chen In­ter­es­sen im Ober­berg­amts­be­zirk Dort­mund, dem er bis zu sei­nem Tod an­ge­hör­te. 1860 nahm Mul­va­ny als Sach­ver­stän­di­ger an der Stu­di­en­rei­se ei­ner preu­ßi­schen Berg­bau­kom­mis­si­on durch die bri­ti­schen Koh­len­re­vie­re teil. Als ers­ter Berg­bau­un­ter­neh­mer des Ruhr­re­viers wag­te er 1859 den Koh­len­ex­port über die deut­schen Gren­zen; 1861 wur­de Hi­ber­nia-Koh­le bis nach Bos­ton und Bue­nos Ai­res ver­schifft. Mul­va­ny be­wies, dass Koh­le aus dem Ruhr­ge­biet, de­ren ge­för­der­te Ge­samt­men­ge nun die Nach­fra­ge der hei­mi­schen Märk­te über­stieg, auch auf dem Welt­markt kon­kur­renz­fä­hig war.

Der pres­ti­ge­träch­ti­ge Ex­port war frei­lich auch ho­hen Trans­port­kos­ten ge­schul­det; dies und an­de­res führ­te da­zu, dass die Di­vi­den­de aus den Ze­chen weit hin­ter den Er­war­tun­gen der eng­li­schen und iri­schen Ku­xen­eig­ner zu­rück­blieb. Ne­ben der zu ge­ring be­fun­de­nen Ka­pi­tal­ren­di­te (im­mer­hin 4,5 v.H.) war­fen die meis­ten Ge­wer­ken Mul­va­ny er­heb­li­che Ei­gen­mäch­tig­kei­ten bei In­ves­ti­tio­nen und ei­ne kos­ten­träch­ti­ge Be­güns­ti­gung von Ver­wand­ten vor; tat­säch­lich hat­te er schon 1855 sei­nem jün­ge­ren Bru­der Tho­mas John ei­ne lei­ten­de Stel­lung bei Hi­ber­nia ver­schafft und 1861 sei­nen Sohn Tho­mas Ro­bert, der das In­ge­nieur­fach ge­lernt hat­te, in die Lei­tung der ver­ei­nig­ten Ze­chen Hi­ber­nia und Sham­rock ge­holt. Nach ei­nem öf­fent­lich aus­ge­tra­ge­nen Kon­flikt wur­de Mul­va­ny 1864 auf Be­schluss der Mehr­heit der Ge­wer­ken als Re­prä­sen­tant der bei­den Ze­chen ent­las­sen. Ei­ne Min­der­heit hat­te sich für sei­nen Ver­bleib aus­ge­spro­chen, und auch das Ober­berg­amt Dort­mund hat­te ihn ge­stützt. Es war in die­ser Zeit auch ein Zei­chen der Wert­schät­zung sei­ner Per­son, dass der Ge­mein­de­rat von Gel­sen­kir­chen Mul­va­ny am 1.8.1864 zum Eh­ren­bür­ger wähl­te. Bei dem Kon­flikt spiel­te sein Per­fek­tio­nis­mus ei­ne Rol­le, der zu we­nig Rück­sicht auf die Wün­sche der Ka­pi­tal­ge­ber nahm. Nur we­ni­ge sa­hen den lang­fris­ti­gen Nut­zen teu­rer In­ves­ti­tio­nen, die sich nur über vie­le Jah­re amor­ti­sie­ren konn­ten. Be­zeich­nen­der­wei­se wur­de Mul­va­ny, der sei­ne An­tei­le an der Ge­werk­schaft Hi­ber­nia und Sham­rock be­hal­ten hat­te, nach Ver­än­de­run­gen im Kreis der Ku­xen­eig­ner 1872 be­auf­tragt, ge­mein­sam mit dem Re­prä­sen­tan­ten Wil­liam Ro­bin­son die Ge­werk­schaft in ei­ne Ak­ti­en­ge­sell­schaft um­zu­wan­deln, was kurz vor dem Be­ginn der Grün­der­krei­se 1873 ge­lang. Die Ak­tio­nä­re wähl­ten Mul­va­ny zum Vor­sit­zen­den des Auf­sichts­ra­tes; die­ses Amt hat­te er bis zu sei­nem To­de in­ne.

Nach der Ent­las­sung mach­te sich Mul­va­ny mit Hil­fe sei­nes Bru­ders an den Auf­bau ei­nes ei­ge­nen, zwei­stu­fi­gen Mon­tan­un­ter­neh­mens, der 1866 ge­grün­de­ten Preu­ßi­sche Berg­werks- und Hüt­ten AG (PB­HAG), de­ren Koh­len­grund­la­ge die in Ent­ste­hung be­grif­fe­ne Ze­che Er­in in Cas­trop und die da­mals stil­lie­gen­den, nun an­ge­kauf­ten Ze­chen Han­sa und Zol­lern west­lich Dort­munds bil­den soll­ten. Für die Ei­sen­pro­duk­ti­on hat­te er be­reits 1865 die Hüt­te Vul­can in Duis­burg er­wor­ben. Das Ka­pi­tal ga­ben Ber­li­ner Ban­ken – die Ber­li­ner Han­dels­ge­sell­schaft und S. Bleich­rö­der – so­wie eng­li­sche, iri­sche und deut­sche Pri­vat­per­so­nen; wie­der­um wa­ren auch Mul­va­ny selbst und ei­ni­ge Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge be­tei­ligt. In der Hoch­kon­junk­tur der Reichs­grün­dungs­zeit ent­wi­ckel­te sich die PB­HAG trotz Ab­teuf­pro­ble­men auf zwei der Ze­chen recht er­freu­lich; auf Er­in, wo das Ab­teu­fen nur et­wa ein Jahr be­nö­tig­te, konn­te seit 1867 ge­för­dert wer­den. 1869 wur­de durch die erst­ma­li­ge Aus­ga­be von Ob­li­ga­tio­nen neu­es Ka­pi­tal be­schafft. In der Grün­der­kri­se je­doch ge­riet die PB­HAG durch den Preis­ver­fall für Ei­sen und ex­tre­me Was­ser­hal­tungs­pro­ble­me auf Er­in (seit 1871) in gro­ße Schwie­rig­kei­ten; seit 1874 lief ein enor­mes De­fi­zit auf. Im Sep­tem­ber 1876 be­schloss die Ge­ne­ral­ver­samm­lung statt der von Mul­va­ny ge­wünsch­ten Auf­nah­me wei­te­ren Ka­pi­tals die Li­qui­da­ti­on. Mul­va­ny leg­te ei­nen Plan zur Re­or­ga­ni­sa­ti­on der PB­HAG vor, der je­doch von den eng­li­schen und iri­schen Ak­tio­nä­ren – nicht von den deut­schen Ob­li­ga­tio­nä­ren – ver­wor­fen wur­de. Im Fe­bru­ar 1877 ging das Un­ter­neh­men in Kon­kurs. Die Ber­li­ner Han­dels­ge­sell­schaft, Haupt­gläu­bi­ge­rin der PB­HAG, über­nahm den Ge­samt­be­sitz zu ei­nem Spott­preis und brach­te die An­la­gen in den neu­ge­grün­de­ten West­fä­li­schen Gru­ben­ver­ein, ei­ne Auf­fang­ge­sell­schaft, ein.

Weil man an Rhein und Ruhr den wei­ten Ho­ri­zont und den tech­nisch-wirt­schaft­li­chen Sach­ver­stand Mul­va­nys schätz­te, hat sein zwei­ma­li­ges Schei­tern als Un­ter­neh­mer sein An­se­hen bei den In­dus­tri­el­len, Volks­wir­ten und ho­hen Staats- und Kom­mu­nal­be­am­ten des Nord­wes­tens nicht be­ein­träch­tigt. Er be­hielt sei­nen Ruf als ex­zel­len­ter Fach­mann vor al­lem in Fra­gen des Gü­ter­ver­kehrs. Mul­va­ny for­der­te die Be­schleu­ni­gung des Ei­sen­bahn­ver­kehrs durch Be­sei­ti­gung der un­ko­or­di­nier­ten ein­zel­nen Bahn­sys­te­me in Deutsch­land und kri­ti­sier­te die Fracht­ta­ri­fe der pri­va­ten Ei­sen­bahn­un­ter­neh­men als viel zu hoch. So­lan­ge die Trans­por­te zwi­schen den Pro­duk­ti­ons­stät­ten im Lan­des­in­ne­ren und den Küs­ten­städ­ten nicht bil­li­ger wur­den, konn­te das rhei­nisch-west­fä­li­sche Ge­biet sei­ne Mög­lich­kei­ten im welt­wirt­schaft­li­chen Sys­tem nicht rea­li­sie­ren. Hier liegt auch der Grund, wes­halb Mul­va­ny zu­sam­men mit wei­te­ren Un­ter­neh­mern die Ver­staat­li­chung der Ei­sen­bahn­un­ter­neh­men in Preu­ßen wünsch­te.

Die Über­las­tung der Ei­sen­bah­nen, be­son­ders der „Wa­gen­man­gel“ wäh­rend des Krie­ges von 1870/1871, war ei­nes der Pro­ble­me, die In­dus­tri­el­le der Rhein­pro­vinz und West­fa­lens im März 1871 in Düs­sel­dorf zur Grün­dung des „Langnam­ver­ein­s“ (Ver­ein zur Wah­rung der ge­mein­sa­men wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen in Rhein­land und West­fa­len) zu­sam­men­führ­ten; Mul­va­ny, der die Grün­dung an­ge­regt hat­te, wur­de zum Prä­si­den­ten des Ver­eins ge­wählt. Er ge­hör­te auch dem seit 1874 be­ste­hen­den Ver­ein deut­scher Ei­sen- und Stahl­in­dus­tri­el­ler an, der ihn in sei­nen Vor­stand be­rief. Wäh­rend der Boom­pha­se um 1870 kon­zi­pier­te er ein ge­samt­eu­ro­päi­sches Ei­sen­bahn- und Was­ser­stra­ßen­netz. Die meis­ten sei­ner Ide­en wur­den nicht oder nur mit er­heb­li­cher Ver­zö­ge­rung ver­wirk­licht; letz­te­res gilt für die „Em­scher­tal­bahn“ der Köln-Min­de­ner Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft. Die Was­ser­stra­ße zwi­schen dem öst­li­chen Re­vier um Dort­mund und Ruhr­ort, der „Em­scher­ka­nal“, der die west-öst­li­chen Ei­sen­bahn­li­ni­en er­gän­zen und ent­las­ten soll­te, blieb bis zum Bau des Rhein-Her­ne-Ka­nals (1906–1914) ein Plan, des­sen Um­set­zung mehr­mals an ab­leh­nen­den Be­schlüs­sen des preu­ßi­schen Land­tags schei­ter­te. Der Rhein-We­ser-El­be-Ka­nal, für den Mul­va­ny eben­falls warb, ent­stand erst 1938 als Mit­tel­land­ka­nal. Mul­va­ny er­leb­te nicht ein­mal den Bau des 1899 als ers­tes Stück der vor al­lem von den Berg­bau­in­dus­tri­el­len ge­wünsch­ten Ver­bin­dung zwi­schen dem Rhein und der Ems (das hei­ßt mit der Nord­see) er­öff­ne­ten Dort­mund-Ems-Ka­nals.

Mul­va­ny wünsch­te ein Was­ser­stra­ßen­netz aus op­ti­mier­ten na­tür­li­chen Strö­men und Ka­nä­len, wo­zu vor al­lem die „Rhein­re­gu­lie­run­g“ (Ver­tie­fung des Strom­betts) von Köln bis zur Mün­dung von­nö­ten war. In sei­nen letz­ten Le­bens­jah­ren pro­pa­gier­te er das Kon­zept der Bin­nen-See-Schiff­fahrt: See­schif­fe soll­ten so weit wie mög­lich ins Bin­nen­land fah­ren kön­nen, da­mit sich durch die Er­spar­nis min­des­tens ei­nes Um­la­de­vor­gangs die Fracht­kos­ten für die deut­sche Ex­port­wirt­schaft – ins­be­son­de­re für den Koh­len­ex­port – ver­bil­lig­ten, was Mul­va­ny für un­ab­ding­bar hielt, wenn sich die deut­sche Mon­tan­in­dus­trie im welt­wei­ten Kon­kur­renz­kampf be­haup­ten soll­te. Ei­ne Rhein-See-Schiff­fahrt grö­ße­ren Stils kam aber zu sei­nen Leb­zei­ten nicht zu­stan­de.

Sei­ner Her­kunft nach wirt­schafts­li­be­ral und dem Frei­han­del zu­ge­neigt, je­doch kein Dog­ma­ti­ker, lehn­te er staat­li­che In­ter­ven­tio­nen im Wirt­schafts­le­ben (nichts an­de­res wa­ren die iri­schen Drai­na­ge­ar­bei­ten ge­we­sen) nicht prin­zi­pi­ell ab; im Ge­gen­teil for­der­te er den Ein­griff des Staa­tes, wo da­durch der „Na­tio­nal­wohl­stan­d“ ver­mehrt und ei­ne wirt­schaft­li­che Auf­wärts­ent­wick­lung be­schleu­nigt wer­den konn­te, und zwar vor al­lem im Ver­kehrs­we­sen. Mit der Schaf­fung der ge­setz­li­chen Grund­la­ge für die Ver­staat­li­chung der Ei­sen­bah­nen er­füll­te Preu­ßen 1879 ei­ne der von Mul­va­ny und an­de­ren In­dus­tri­el­len for­mu­lier­ten Er­war­tun­gen; al­ler­dings hät­ten die­se die 1876 von Bis­marck ver­geb­lich ver­such­te Ver­reich­li­chung der Bah­nen lie­ber ge­se­hen. Die eben­falls 1879 ein­ge­führ­ten, von der Mehr­heit der Mit­glie­der des Langnam­ver­eins be­grü­ß­ten Ei­sen­schutz­zöl­le wa­ren für Mul­va­ny ein „vor­über­ge­hen­des not­wen­di­ges Übel“, das hei­ßt ei­ne Ent­wick­lungs­hil­fe für die wach­sen­de In­dus­trie des Deut­schen Rei­ches. Ger­ma­no- und bo­russo­phil, sah er im ge­ein­ten Deutsch­land we­gen ins­ge­samt gu­ter wirt­schaft­li­cher Vor­aus­set­zun­gen die na­tür­li­che Füh­rungs­macht des Kon­ti­nents, das hei­ßt Eu­ro­pas oh­ne die bri­ti­schen In­seln.

Mul­va­ny blieb bis kurz vor sei­nem Tod ein er­folg­rei­cher Ver­bands­po­li­ti­ker und ge­frag­ter volks­wirt­schaft­li­cher Ana­ly­ti­ker, der die Ent­wick­lung der un­ter­neh­me­ri­schen In­ter­es­sen­ar­ti­ku­la­ti­on in West­deutsch­land stark be­ein­flusst hat. Als er 1880 auf ein Vier­tel­jahr­hun­dert Tä­tig­keit im Ruhr­ge­biet zu­rück­bli­cken konn­te, was mit ei­ner Fei­er in der Düs­sel­dor­fer Ton­hal­le be­gan­gen wur­de, wür­dig­ten ihn füh­ren­de Ver­tre­ter der rhei­nisch-west­fä­li­schen In­dus­trie und der preu­ßi­schen Re­gie­rung und Ver­wal­tung. In sei­nen letz­ten Le­bens­jah­ren zwang ihn fort­schrei­ten­de Schwer­hö­rig­keit, sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten ein­zu­schrän­ken. Mul­va­ny starb am 30.10.1885 nach kur­zer Krank­heit auf sei­nem Gut in Pem­pel­fort bei Düs­sel­dorf und wur­de auf dem Düs­sel­dor­fer Nord­fried­hof bei­ge­setzt. Sei­ne Kin­der Tho­mas Ro­bert (in­zwi­schen bri­ti­scher Ge­ne­ral­kon­sul für die preu­ßi­schen Pro­vin­zen Rhein­land und West­fa­len mit Sitz in Düs­sel­dorf), Ali­cia An­na und An­na­bel­la Ca­the­ri­ne sorg­ten da­für, dass sei­ne Ver­diens­te nicht in Ver­ges­sen­heit ge­rie­ten. Nach An­na­bel­la Mul­va­nys Tod 1917 wur­de der Nach­lass ih­res Va­ters dem Rhei­nisch-West­fä­li­schen Wirt­schafts­ar­chiv in Köln über­ge­ben.

Literatur

Blo­e­mers, Kurt, Wil­liam Tho­mas Mul­va­ny. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te der rhei­nisch-west­fä­li­schen Gro­ß­in­dus­trie und der deutsch-eng­li­schen Wirt­schafts­be­zie­hun­gen im 19. Jahr­hun­dert, Es­sen 1922.
Hen­der­son, Wil­liam Ot­to, Wil­liam Tho­mas Mul­va­ny. Ein iri­scher Un­ter­neh­mer im Ruhr­ge­biet, Köln 1970.
Schmidt-Rutsch, Olaf, Wil­liam Tho­mas Mul­va­ny. Ein iri­scher Prag­ma­ti­ker und Vi­sio­när im Ruhr­ge­biet 1806-1885, Köln 2003. 

Online

Kro­ker, Eve­lyn, Mul­va­ny, Wil­liam Tho­mas, in: NDB 18, 1997, S. 577-578. [on­line]

 
Zitationshinweis

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Kanther, Michael A., William Thomas Mulvany, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/william-thomas-mulvany/DE-2086/lido/5d64f08ae586a5.28381496 (abgerufen am 23.04.2024)