Plektrud

Kirchengründerin (gestorben nach 717)

Joachim Oepen (Köln)

Liegefigur der Plektrud auf der romanischen Grabplatte in Sankt Maria im Kapitol in Köln, 1176/1200. (Rheinisches Bildarchiv)

Plek­trud war die Ehe­frau des frän­ki­schen Haus­mei­ers Pip­pin des Mitt­le­ren (Re­gie­rungs­zeit 679-714) so­wie die Grün­de­rin der Köl­ner Kir­che St. Ma­ria im Ka­pi­tol.

Plek­trud ent­stamm­te ei­ner vor­neh­men au­st­ra­si­schen Fa­mi­lie des Ei­fel-Mo­sel-Raums. Als El­tern wer­den die hei­li­ge Ir­mi­na, Äb­tis­sin des Klos­ters Oe­ren bei Trier und Stif­te­rin der Ab­tei Ech­ter­nach, so­wie der Se­ne­schall und Pfalz­graf Hu­go­bert (ge­stor­ben um 697) an­ge­nom­men, als Schwes­tern un­ter an­de­rem Ber­tra­da, Grün­de­rin des Klos­ters Prüm, und Ade­la, Grün­de­rin und Äb­tis­sin des Klos­ters Pfal­zel bei Trier. Wäh­rend die­se Fa­mi­li­en­re­kon­struk­ti­on in der For­schung nicht un­wi­der­spro­chen blieb, herrscht Ein­ver­neh­men, dass Plek­trud um 670 den spä­te­ren frän­ki­schen Haus­mei­er Pip­pin den Mitt­le­ren hei­ra­te­te. Die­se Hei­rat war ei­ne der wich­tigs­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Stel­lung des Haus­mei­ers im Me­ro­win­ger­reich und da­mit auch für den end­gül­ti­gen Auf­stieg der Ka­ro­lin­ger. Die Gü­ter Plek­truds und ih­rer Fa­mi­lie er­streck­ten sich von der mitt­le­ren Mo­sel über die Ei­fel bis an den lin­ken Nie­der­rhein und run­de­ten da­mit den bis­he­ri­gen Be­sitz der Pip­pi­ni­den an Maas und obe­rer Mo­sel ab. Die­se Be­sitz­tü­mer „konn­ten Pip­pins d. M. po­li­ti­sches Agie­ren selbst­ver­ständ­lich er­leich­tern" (Edu­ard Hla­witsch­ka).

In al­len be­kann­ten Ur­kun­den ih­res Ehe­manns tritt Plek­trud als Mit­aus­stel­le­rin auf. Aus die­ser Tat­sa­che ist ih­re be­sitz­recht­li­che Stel­lung ab­les­bar, zu­gleich auch ih­re Be­deu­tung be­reits vor dem To­de Pip­pins. Zwi­schen 687 und 714 grün­de­ten und be­güns­tig­ten die Ehe­leu­te ge­mein­sam ei­ne Rei­he von Kir­chen und Klös­tern vor al­lem im Ge­biet zwi­schen Rhein, Maas und Mo­sel, wo­bei auch Be­sitz aus dem Ver­mö­gen von Plek­trud ver­ge­ben wur­de. Un­ter an­de­rem er­mög­lich­ten Pip­pin und Plek­trud dem hei­li­gen Suit­bert die Grün­dung des Klos­ter Kai­sers­werth (um 695), för­der­ten die Ab­tei Ech­ter­nach, an de­ren Grün­dung der hei­li­ge Wil­li­brord (um 658-739) be­tei­ligt war, und stell­ten sie un­ter ih­ren Schutz (706). Will­brord über­tru­gen sie auch das von ih­nen ge­grün­de­te Klos­ter Sus­te­ren bei Ro­er­mond (714).

Die letz­ten Le­bens­jah­re Pip­pins wa­ren über­schat­tet von er­folg­lo­sen Ver­su­chen ei­ner Nach­fol­ge­re­ge­lung, denn die bei­den Söh­ne Dro­go (um 670-708) und Gri­mo­ald (um 680-714) wa­ren be­reits vor ihm ver­stor­ben. Den aus ei­nem Kon­ku­bi­nats­ver­hält­nis stam­men­den Sohn Karl Mar­tell (688/689-741) ver­such­te Plek­trud von der Nach­fol­ge aus­zu­schlie­ßen. Fol­ge­rich­tig ließ sie nach dem To­de Pip­pins am 16.12.714 Karl ver­haf­ten und half ih­re bei­den En­kel Ar­nulf (um 695-723) als „dux" für Au­st­ra­si­en und den noch un­mün­di­gen Theu­do­ald (wohl 708-nach 715) als Haus­mei­er an die Macht zu brin­gen. Plek­trud be­hielt sich die obers­te Au­to­ri­tät vor und rich­te­te ih­re Re­si­denz in Köln ein. In Neu­s­tri­en reg­te sich Wi­der­stand, so dass es am 26.9.715 im Wald von Com­pièg­ne zu ei­ner Schlacht kam, bei der Theu­do­ald nur knapp die Flucht ge­lang. Zu­dem ge­rie­ten der me­ro­win­gi­sche Kö­nig Da­go­bert III. (Re­gie­rungs­zeit 711-715/716) be­zie­hungs­wei­se Chil­pe­rich II. (Re­gie­rungs­zeit 715/716-721) un­ter den Ein­fluss der Neu­s­trier. Als dann auch noch Karl Mar­tell aus der Haft ent­kom­men konn­te und so­wohl ge­gen die Neu­s­trier als auch ge­gen Plek­trud vor­ging, ent­stand im Fran­ken­reich ei­ne äu­ßerst in­sta­bi­le La­ge. Zu­dem be­fand sich die von Pip­pin „be­grün­de­te ge­samt­fän­ki­sche Su­pre­ma­tie der Fa­mi­lie in ei­ne[r] exis­tenz­be­dro­hen­de[n] Kri­se" (Ru­dolf Schief­fer).

716 rück­ten die Neu­s­trier un­ter Chil­pe­rich und ih­rem im Vor­jahr ge­wähl­ten Haus­mei­er Ra­g­an­frid (ge­stor­ben 731) nach Köln vor, wo sie Plek­trud zur Her­aus­ga­be ei­nes be­trächt­li­chen Schat­zes, wo­mög­lich des me­ro­win­gi­schen Staats­schat­zes zwan­gen. Auf dem Rück­weg wur­den sie von Karl an­ge­grif­fen und er­lit­ten ei­ne Nie­der­la­ge; auch die Schlacht bei Vin­chy am 21.3.717 konn­te Karl für sich ent­schei­den. An­schlie­ßend wand­te er sich nach Köln, wo Plek­trud ihm die rest­li­chen Schät­ze Pip­pins aus­hän­di­gen und Karls Herr­schafts­an­spruch an­er­ken­nen muss­te. Wäh­rend Karl Mar­tell in den fol­gen­den Jah­ren sei­ne Geg­ner end­gül­tig nie­der­wer­fen konn­te, ge­riet Plek­trud voll­kom­men aus dem Blick der Quel­len.

Es gilt je­doch als si­cher, dass Plek­trud in Köln die Kir­che St. Ma­ria im Ka­pi­tol grün­de­te, die sich an ge­nau glei­cher Stel­le wie der den drei ka­pi­to­li­ni­schen Gott­hei­ten Ju­pi­ter, Ju­no und Mi­ner­va ge­weih­te Tem­pel aus rö­mi­scher Zeit er­hebt. Mög­li­cher­wei­se han­del­te es sich hier­bei um me­ro­win­gi­sches Kö­nigs­gut, in des­sen Be­sitz die frän­ki­schen Haus­mei­er ge­langt wa­ren. Der Grün­dungs­sta­tus der Kir­che ist völ­lig un­klar. Erst im 10. Jahr­hun­dert be­stand an St. Ma­ria im Ka­pi­tol ein Be­ne­dik­ti­ne­rin­nen­klos­ter, wel­ches sich im Ver­lauf des 12./13. Jahr­hun­derts zum ade­li­gen Da­men­stift um­wan­del­te. Bis zur Sä­ku­la­ri­sa­ti­on 1802 war St. Ma­ria im Ka­pi­tol nach Es­sen das grö­ß­te Ka­no­nis­sen­stift im Erz­bis­tum Köln und nach dem Dom und St. Ge­re­on das reichs­te Stift in der Stadt Köln. Die Grün­dung der Kir­che durch Plek­trud wird erst seit Mit­te des 12. Jahr­hun­derts in der ört­li­chen Tra­di­ti­on fass­bar: Zwei um 1150/1160 so­wie um 1300 ent­stan­de­ne Re­li­ef­plat­ten so­wie ur­kund­li­che Zeug­nis­se be­le­gen ihr Grab in­ner­halb der Kir­che. In ei­nem um 1300 an­ge­leg­ten Me­mo­ri­en­buch so­wie in meh­re­ren er­zäh­len­den Quel­len wird Plek­trud als Grün­de­rin von St. Ma­ria im Ka­pi­tol er­wähnt. Ei­ne Er­he­bung der Ge­bei­ne oder gar ei­ne Ka­no­ni­sa­ti­on ist ihr nie zu­teil ge­wor­den. Das Ster­be­da­tum von Plek­trud ist un­be­kannt; un­ter­schied­li­che Über­le­gun­gen der For­schung set­zen es von bald nach 717 bis 726 an.

In den zeit­ge­nös­si­schen Quel­len wird Plek­trud je nach Ten­denz ei­ner­seits als „grau­sam", „von weib­li­cher Ver­schla­gen­heit" und für die Re­gie­rung des Fran­ken­rei­ches als un­ge­ei­gent ge­schil­dert („An­na­les Met­ten­ses prio­res"), an­de­rer­seits aber als „ed­le und un­ge­mein klu­ge Ehe­frau" Pip­pins („Fre­de­ga­rii Con­ti­nua­tor") und als „höchst wei­se" be­zeich­net („Li­ber his­to­riae Fran­co­rum").

Seit 1990 er­in­nert ei­ne Sta­tue Plek­truds (Bild­hau­er: Tho­mas Tork­ler) am Köl­ner Rat­haus­turm an die Klos­ter­grün­de­rin.

Quellen

An­na­les Met­ten­ses prio­res (MGH SS rer. Germ. in us. schol. X), be­arb, von Bern­hard von Sim­son, Han­no­ver 1905.
Chro­ni­car­um quae di­cun­tur Fre­de­ga­rii Scho­las­ti­ci li­bri IV. cum Con­ti­nua­tio­ni­bus (MGH SS rer. Merov. II, S.1-194), be­arb. von Bru­no Krusch, Han­no­ver 1888.
Li­ber His­to­riae Fran­co­rum (MGH SS rer. Merov. II, S.215-329), be­arb. von Bru­no Krusch, Han­no­ver 1888.

Literatur

Nonn, Ul­rich, Plek­trud, in: Le­xi­kon des Mit­tel­al­ters, Band 7, Mün­chen/Zü­rich 1995, Sp. 19.
Oepen, Joa­chim, Plek­trud in Köln: Die Stadt im Macht­kampf der Ka­ro­lin­ger, in: Ro­sen, Wolf­gang/Wirt­ler, Lars (Hg.), Quel­len zur Ge­schich­te der Stadt Köln 1. An­ti­ke und Mit­tel­al­ter. Von den An­fän­gen bis 1396/97, Köln 1999, S. 72–80.
Sau­ser, Ek­kart, „Plek­tru­dis", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 21 (2003), Sp. 1182-1183.
Wer­ner, Mat­thi­as, Adels­fa­mi­li­en im Um­kreis der frü­hen Ka­ro­lin­ger. Die Ver­wandt­schaft Ir­mi­nas von Oe­ren und Ade­las von Pfal­zel. Per­so­nen­ge­schicht­li­che Un­ter­su­chun­gen zur früh­mit­tel­al­ter­li­chen Füh­rungs­schicht im Maas-Mo­sel-Ge­biet, Sig­ma­rin­gen 1982.

Online

Die di­gi­ta­len Mo­nu­men­ta Ger­ma­niae His­to­ri­ca (dmgh) [Für ei­ne Re­cher­che in­ner­halb der dmgh sie­he die je­wei­li­gen An­ga­ben un­ter der Ru­brik Quel­len]. [On­line]
Schief­fer, Ru­dolf, „Plek­trud", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 20 (2001), S. 527-528. [On­line]
St. Ma­ria im Ka­pi­tol (In­for­ma­tio­nen über die Bau­ge­schich­te von St. Ma­ria im Ka­pi­tol auf der Web­site des För­der­ver­eins Ro­ma­ni­sche Kir­chen Köln e.V.). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Oepen, Joachim, Plektrud, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/plektrud/DE-2086/lido/57c95abfdce8f5.67641451 (abgerufen am 29.03.2024)