Hirsch, August

Hirsch, August
Hirsch, August

[740] Hirsch, August, der berühmte Historiogeograph der Med. und Hygieniker in Berlin, geb. 4. Okt. 1817 in Danzig, studierte, nachdem er mehrere Jahre Kaufmann gewesen war, in Leipzig und Berlin seit 1839 Medizin und promovierte in Berlin 1843 mit der Diss.: »De laryngostasi exsudativa vulgo Croup vocata«. Er ging zunächst 1844 als prakt. Arzt nach Elbing, siedelte aber schon 1846 nach Danzig über, wo er sich mit geogr.-pathol. Studien beschäftigte, da er den Wunsch hegte, in engl.-ind. Dienste zu treten. Als Resultat dieser Studien veröffentlichte er in der Hamburger med. Zeitschrift, 1848: »Ueber die geographische Verbreitung von Malariafieber und Lungenschwindsucht und den räumlichen Antagonismus dieser Krankheiten«; in der Prager Vierteljahrsschrift für prakt. Heilkunde: »Historisch-pathologische Untersuchungen über die typhösen Krankheiten mit besonderer Berücksichtigung der Typhen der Neuzeit« (1851 bis 53, XXXII) und: »Die Ruhr; nach ihrem endemischen und epidemischen Vorkommen vom ätiologisch-pathologischen Standpunkte« (1855 bis 56; XLVI, XLVII, LI) und endlich in Virch. Arch. für pathol. Anatomie: »Die indische Pest und der schwarze Tod. Eine historisch-pathologische[740] Skizze« (1853, V) – »Der Friesel vom historischen und geographischpathologischen Standpunkte« (1853 bis 56; VIII, IX) und: »Der Madura-Fuss. Ein Beitrag zur Geschichte des pflanzlichen Parasitismus« (1863; XXVII). Seine Hauptarbeit aber ist das: »Handbuch der historisch-geographischen Pathologie« (2 Bde., Erlangen 1859 bis 64; 2. Aufl. I–III, 1881 bis 86; eine englische Übersetzung, von der New Sydenham Society veranstaltet, erschien 1883). – 1863 wurde er als ord. Professor der Medizin nach Berlin berufen; seine Habilitationsschrift lautet: »De collectionis Hippocraticae auctorum anatomia, qualis fuerit et quantum ad pathologiam eorum valuerit« (Berlin 1864). 1865 bereiste er im Auftrage der Regierung die von Meningitis cerebro-spinalis heimgesuchte Provinz Westpreussen und veröffentlichte, auf die hierbei gesammelten Beobachtungen gestützt: »Die Meningitis cerebro-spinalis epidemica« (Berl 1866). Während des französ. Feldzuges war er als dir. Arzt eines k. Sanitätszuges thätig. – 1873 wurde auf H.'s und Pettenkofer's Veranlassung die »Cholera-Kommission für das Deutsche Reich« gebildet, als deren Mitglied er die von der Cholera betroffenen Provinzen Westpreussen und Posen bereiste. Der Bericht über diese Reise erschien als Heft 5 der Veröffentlichungen der genannten Cholera-Kommission: »Das Auftreten und der Verlauf der Cholera in den preussischen Provinzen Posen und Preussen (Mai-September 1873)« (Berlin 1874; 2. Aufl., 1875). 1874 nahm er als Delegierter des deutschen Reiches an den Beratungen der in Wien tagenden internat. Cholera-Konferenz teil. – 1879 ging H. im Auftrage der Reichsregierung in Begleitung von Sommerbrodt und Küssner nach Russland, um Beobachtungen über die im Gouvernement Astrachan herrschende Pest anzustellen und veröffentlichte darüber mit Sommerbrodt zusammen: »Mittheilungen über die Pest-Epidemie im [741] Winter 1878/79 im russischen Gouvernement Astrachan« (Berlin 1880). – Von seinen weiteren Schriften sind noch zu nennen: »J. F. C. Hecker, Die grossen Volkskrankheiten des Mittelalters; historischpathologische Untersuchungen. Gesammelt und in erweiterter Bearbeitung herausgegeben« (Berlin 1865) – »Geschichte der Augenheilkunde« (Leipzig 1877, als Bd. VII von Graefe und Saemisch, Handbuch der Augenheilk.) – »Ueber die Verhütung und Bekämpfung der Volkskrankheiten, mit specieller Beziehung auf die Cholera« (Deutsche Zeit- und Streitfragen, herausg. von v. Holtzendorff und Oncken, Jahrg. 4, 1875) – »Ueber die Verbreitung von Gelbfieber. Ein Beitrag zur Aetiologie der übertragbaren Volkskrankheiten« (Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspflege, IV, 1872) – »Was hat Europa in der nächsten Zeit von der orientalischen Pest zu fürchten?« (Ib. VIII, 1876) – »Ueber Schutzmassregeln gegen die vom Ausland drohenden Volksseuchen« (Publikationen des d. Vereines f. öffentl. Gesundheitspfl. zu Stuttgart, 1879). Ferner gab er seit 1866 in Gemeinschaft mit Virchow den: »Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen in der Medicin« heraus; war Herausgeber des: »Biographischen Lexikon der hervorragenden Aerzte aller Zeiten und Völker« und Bearbeiter zahlreicher Artikel in der »Allgemeinen deutschen Biographie«. H., der 28. Januar 1894 nach längerer Krankheit starb, gehört mit v. Pettfnkofer zu den namhaften Vertretern der Hygiene in der vorbakteriellen Zeit. Ausserdem hat er sich durch sein oben erwähntes weltberühmtes Handbuch, das Standard work aller Tropenärzte und Hygieniker, ein unsterbliches Verdienst erworben. Es verfügt über 14000 litter. Nachweise und wird für alle Zeiten trotz veränderter Anschauungen seinen Wert zum mindesten als bibliogr. Repertorium behalten. Auch kommt H. das Verdienst zu, dass er als einer der ersten auf die Bedeutung und[742] Richtigkeit der Semmelweis'schen Lehre über das Puerperalfieber hingewiesen hat. 1893 erschien noch von H. die sehr wertvolle »Gesch. d. med. Wissensch. in Deutschland« (München u. Leipzig, im Auftr. d. histor. Kommission d. Münchener Akad. d. Wiss. geschrieben). Auch ist noch eine von H. zur Stiftungsfeier der Kaiser Wilhelm-Akad. für Militärmed., 2. Aug. 1889 gehaltene Rede »Ueber die Entwickelung der öffentlichen Gesundheitspflege« erwähnenswert. H. wurde ferner Mitbegründer und war hervorragendes Mitglied der 1872 zu Berlin ins Leben getretenen »Deutsch. Ges. f. öffentl. Gesundheitspfl.,« deren 1. Vors. bis 1885 und seit 1886 Ehrenmitglied.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 740-743.
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