Suabedissen, David Theodor August

[731] Suabedissen, David Theodor August, geb. 1773 in Melsungen (Hessen), 1822 Prof. in Marburg, gest. daselbst 1835.

S. ist von Kant, Reinhold, Schelling beeinflußt. Die Philosophie ist die Wissenschaft vom Leben des Menschen, ihr Kern die Selbsterkenntnis, das »Sichselbstklarwerden«, und zwar das allgemeine, historisch-sozial gewordene Selbstbewußtsein. Der Mensch ist Leben und dieses ist ein von sich wissendes Leben. Es ist »Kraft und Wille«, enthält »ursprüngliche Bestrebungen und Bedürfnisse«, welche fordern, daß ihnen das eigene Dasein entspreche, und ursprüngliche Gesetze des zeitlichen Lebens sind. Das Leben ist »Trieb«, sofern es ihm notwendig ist, sich zu erweisen. Das ursprüngliche Bedürfnis und Gesetz der Menschenlebendigkeit ist, »einstimmig zu sein« (Einheit des Individuums, der Gesellschaft, der Menschen im Verhältnis zur Welt). – Die Natur ist das »unendliche werdende Sein«, ihr Inneres ist »Werdenstrieb«, ihr Äußeres das Gewordene. Raum und Zeit sind die Wirklichkeitsweisen und Formen der Natur, die ein[731] Organismus im weiteren Sinne, eine gesetzliche Ordnung ist. Das Leben ringt nach Selbständigkeit, Aktivität, Freiheit und erreicht sein Ziel im Menschen. Das Bedürfnis des Menschen ist es, sich in der äußeren Wirklichkeit seiner selbst und seines ganzen Gebietes von Grund aus zu ermächtigen und damit als geistiges Leben ganz in sein Dasein einzutreten. Die Seele ist die »innere Einheit eines Lebendigen, wenn sie eine selbstsinnige ist«. Der Geist ist ihr Wesen, der Leib ihre natürliche Lebendigkeitsweise an ihrer Stelle in der Welt; sie ist »der in einem Leibe wirkliche Geist«, das Wesen des Leibes, der von ihr seine Lebendigkeit hat und ihr Organ ist. Eine Reihe guter psychologischer Erörterungen findet sich bei S. Das Urteil z.B. bestimmt er als »eine Tätigkeit, welche teilend verbindet und verbindend teilt«. »Durch das Zusammenfassen und das Scheiden des Ungleichartigen tritt Ordnung in den vorher chaotischen Zustand der Vorstellungen; darum kann alles Urteilen als ein Ordnen begriffen werden« (D. Grundz. d. Lehre von den Menschen, S. 116 f.). Da auch das Denken Leben ist, so gilt die Urforderung dieses auch für jenes, und so sucht es Einheit in der Mannigfaltigkeit (»Einheitsbedürfnis«). Denken und Wollen bedingen einander; Theorie und Praxis sollen einander durchdringen zur Einheit des Lebens.

Schriften: Resultat der philos. Forschungen über die Natur der menschlichen Erkenntnis von Platon bis Kant, 1808. – Über die innere Wahrnehmung, 1808, – Betrachtung des Menschen, 1815-18. – Philos. der Geschichte, 1821. – Zur Einleit. in die Philos., 1827. – Vom Begriffe der Psychologie u. ihrem Verhältnis zu den verwandten Wissenschaften, 1829. – Grundzüge der Lehre von dem Menschen, 1829. – Grundzüge der philos. Religionslehre, 1831.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 731-732.
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