Bentham, Jeremy

[55] Bentham, Jeremy, geb. 1748 in London, erst Advokat, dann Privatgelehrter, gest. 1832 in London.

B. ist der eigentliche Begründer des (systematischen) Utilitarismus, den er vor allem in der Gesetzgebung, dann auch in der Ethik durchgeführt wissen will. Der »Nutzen« (utility) ist das Prinzip alles Handelns und bezieht sich auf die Eigenschaft einer Sache, Lust zu erregen (»that property in any object, whereby it tends to produce benefit, advantage, pleasure, good, or happiness«, Introd. I, ch. 1). Eine unsittliche Handlung ist nur eine falsche Bewertung des persönlichen Interesses. Tugend ist alles, was zum Glücke beiträgt, die Lust steigert und die Unlust verringert. Das Handeln ist gut oder schlecht »en poportion de sa tendance à accroitre ou à diminuer la somme du bonheur public.« Die Lust und das Lusterregende ist das höchste Gut. Es kommt nur darauf an, richtig zu werten, den wahren Nutzen anzustreben und daher ist ein Lustkalkül (»hedonic calculus«) notwendig und ein »moralisches Budget«,. durch welches bei jeder Handlung die nützlichen und schädlichen Folgen berechnet werden. Es kommen für die Wertung der Lust und Unlust in Betracht: Intensität, Dauer, Nähe der Lust u. a., aber auch die Menge der Individuen,[55] die davon betroffen werden. Es gibt eine Ökonomie der Lust und Unlust, und es zeigt sich, daß aus wohlverstandenem Interesse auch die Lust anderer zu berücksichtigen ist, ganz abgesehen von der Sympathie, die wir ändern gegenüber empfinden. Das Glück der Gemeinschaft ist die Summe der Lust der Einzelnen; mit der Förderung des Wohles anderer und des Gesamtwohles fördern wir uns selbst. Die Ethik lehrt, den Egoismus zu regulieren, ihn vernünftig, zweckmäßig zu gestalten. Die Tugend besteht in der Opferung einer geringeren gegenwärtigen Befriedigung, die als Versuchung auftritt, gegenüber einer größeren, aber entfernteren Befriedigung. Der extreme Egoismus erweist sich als schädlich; es ist gut, erst zum mindesten uneigennützig zu scheinen und es dann auch wirklich zu sein. Das Ziel des sittlichen Handelns ist die Maximation des Glückes, der Lust, das »größtmögliche Glück der größtmöglichen Anzahl« (»the greatest happiness of the greatest number«, »the greatest possible quantity of happiness«, Deontol. u. Princ. II, ch. 17; das Prinzip schon bei Beccaria u. Hutcheson). Die »Deontologie« (Lehre vom Richtigen, Seinsollenden) klärt uns über die besten Mittel zur Erreichung des Glückes auf. Die »Stimulantien« zum Handeln sind die »Sanktionen«, welche das Gegengewicht gegen Versuchungen abgeben, als Vorstellungen strafender oder lohnender Faktoren. Es gibt eine physische, soziale, moralische, politische und religiöse Sanktion (Déontologie I, 109 ff.).

SCHRIFTEN: Introduction to the Principles of Morals and Legislation, 1789, 1876. – Traité de la législation civile et pénale, trad. par E. Dumont, 1802, 2. éd. 1820; deutsch von Beneke, 1830. – Deontology, or the Science of Morality, ed. by J. Bowring, 1834; auch französisch u. deutsch, 1834-35. – Werks, 1843. – Vgl. L. STEPHEN, The English Utilitarians, 1900, l. – E. ALBEE, A History of Engl. Utilit., 1902. – O. KRAUS, Zur Theorie d. Wertes. Eine Bentham-Studie, 1902.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 55-56.
Lizenz:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika