Hamilton, Sir William

[225] Hamilton, Sir William, geb. 8. März 1788 in Glasgow, wurde 1821 Prof. der Geschichte in Edinburg, 1836 Prof. der Logik und Metaphysik, gest. 6. Mai 1856. Herausgeber der Werke Reids (2. ed. 1849 mit Erläuterungen usw.).

H., einer der bedeutendsten englischen Philosophen des 19. Jahrhunderts, ist hauptsächlich von der Schottischen Schule (Reid u. a.) und von Kant beeinflußt. Er ist ein Gegner alles Skeptizismus und subjektiven Idealismus, alles »Repräsentationismus«, dem er die Lehre von der unmittelbaren Wahrnehmung der Realität (den »presentationism« oder »natural realism«, weil sie auch im Sinne des »common sense« ist) entgegensetzt. Zugleich betont er gegenüber der idealistischen Spekulation Schellings u. a. die Relativität unserer Erkenntnis, insofern das Absolute von uns nicht denkbar und erkennbar ist. Endlich lehrt H. die Apriorität (Notwendigkeit und Allgemeinheit) gewisser ursprünglicher Relationen (der Anschauungs- und Denkformen).

Die Philosophie des Geistes zerfällt nach H. in 1. »Phänomenologie« (Beschreibung der geistigen Tatsachen), 2. »Nomologie« (Darstellung der Gesetze des Geisteslebens), bestehend aus Logik, Ästhetik, Ethik, und 3. »Ontologie« (Metaphysik), welche es mit dem Ich, der Außenwelt und dem Dasein Gottes zu tun hat. Das Absolute (das Unbedingte und Unendliche) ist weder denkbar noch erkennbar, weil es eben nicht bedingt ist und nach dem »Gesetz des Bedingten« (»law of the conditioned«) alles Denken ein Bedingen (»to think is to condition«) und alles Denkbare durch' ein Undenkbares begrenzt ist, über das wir nicht hinauskönnen (»that the conceivable is in every relation bounded by the inconceivable«). Alles Erkennbare ist bedingt und relativ, weil es innerhalb des Gegensatzes Subjekt-Objekt liegt und raum-zeitlich ist. Eine ursprüngliche Bewußtseinstatsache ist zunächst die Überzeugung von der Existenz (Realität) unseres Ichs und der Außenwelt, welche beide unmittelbar wahrgenommen werden, eins als Gegensatz zum andern: »We may... lay it down as an undisputed truth, that consciousness gives, as an ultimate fact, a primitive duality; a knowledge of the ego in relation and contrast to the non-ego. The ego and non-ego are thus given in an original antithesis, as opposed in the contrariety of existence.« Die Wahrnehmung enthält schon Unterscheidung. Vergleichung usw. Je mehr der affektive Bestandteil der Wahrnehmung (die »Sensation«) zurück- und die »perception« der objektiven Qualitäten hervortritt, desto stärker ist das Gegenstandsbewußtsein. Ursprüngliche Bewußtseinstatsachen sind ferner die logischen Denkgesetze, Raum und Zeit, Kausalität, Substanz und andere Kategorien. Die Kausalität bedeutet, daß wir keine Existenz als beginnend denken können, daß wir alles Geschehen als Modifikation eines Identischen auffassen müssen.

Das Bewußtsein ist ein unmittelbares Wissen, welches im psychischen Erleben selbst liegt; im engeren Sinne ist es der »Ort der Prinzipien«, die Quelle des Apriorischen. Alles psychische Erleben ist aktiv und passiv zugleich, nur überwiegt bald das eine, bald das andere Moment. Das Erleben ist intellektuell, emotionell und volitionell. Die Assoziationsgesetze beruhen auf der »law of redintegration«, dem »Gesetz der Totalität«, nach[225] welchem Vorstellungen, die einmal einen einheitlichen Zusammenhang bildeten, die Tendenz haben, einander zu reproduzieren. Das logische Denken besteht in der Verknüpfung und Trennung der Begriffe. Das Urteil ist ein einfacher Bewußtseinsakt, eine Aussage von Verhältnissen zwischen den Begriffen, ein Vergleichen des Umfangs von Subjekt und Prädikat (Identitätstheorie des Umfangs: Subjekt und Prädikat sind dem Umfange nach identisch). Die Lehre von der »Quantifikation des Prädikats« berücksichtigt den Umfang nicht bloß des Subjekts, sondern auch des Prädikats. Das Urteil ist eine Gleichung zwischen Subjekt und Prädikat (»an equation, an identification«). »The predicate has allways a quantity in thought, as much as the subject, although this quantity be frequently not explicitly enounced... The predicate is as extensive as the subject.« Der Begriff ist ein »implizites oder unentwickeltes Urteil« (Lectur. I, 204 f.: II, 225 ff., 272 ff.).

SCHRIFTEN: Discussions on Philosophy and Literature, 1852; 3. ed. 1866. – Lectures on Metaphysics and Logic, 1859 ff., 1865 f. – Vgl. J. ST. MILL, Examination of Sir W. Hamiltons Philosophy, 1865; 4. ed. 1874; deutsch 1908. – ULRICI, Zeitschr. f. Philos. u. philos. Kritik, 1855. – J. VEITCH, Memoir of Sir W. H., 1869.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 225-226.
Lizenz:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Brockhaus-1809: Ritter William Hamilton · Hamilton · Hamilton

Brockhaus-1911: Hamilton [6] · Hamilton [5] · Hamilton [7] · Mount Hamilton · Hamilton [8] · Hamilton · Gail Hamilton · Hamilton [2] · Hamilton [4] · Hamilton [3] · Sir-darja · Sir-Charles-Hardy-Inseln · Sir

DamenConvLex-1834: Hamilton, Emma Harte · Sir · Falstaff, Sir John

Eisler-1912: Temple, Sir William · Thomson, Sir William · Lubbock, Sir John · Maine, Sir Henry James Sumner

Herder-1854: Hamilton [5] · Hamilton [6] · Hamilton [7] · Hamilton [4] · Hamilton [1] · Hamilton [2] · Hamilton [3] · Sir [2] · Sir [1]

Lueger-1904: Prinzip von Hamilton

Meyers-1905: Hamilton [4] · Hamilton, Port · Port Hamilton · Hamilton [3] · Hamilton Julet · Hamilton [1] · Hamilton [2] · Sir Darja [1] · Sir Darja [2] · Sir Edward Pellew-Inseln · Sir Charles Hardy-Inseln · Malcolm, Sir John · Sir · Sîr

Pagel-1901: Fergusson, Sir William · Flower, Sir William Henry · Roberts, Sir William · Mackinnon, Sir William Alexander · Gowers, Sir William Richard · Jenner, Sir William · Mac Cormac, Sir William · Gull, Sir William Withey · Hoffmeister, Sir William Carter · Wilde, Sir William Robert Willis · Bowman, Sir William · Turner, Sir William · Stokes, Sir William · Aitken, Sir William · Wilson, Sir William James Erasmus · Stokes, Sir William · Cooper, Sir William White · Savory, Sir William Scovell Bart · Paget, Sir James Bart · Playfair, Sir Lyon · Macleod, Sir George Husband Baird · Paget, Sir George Edward · Mackenzie, Sir Morell · Buchanan, Sir George · Clark, Sir Andrew · Cormack, Sir John Rose Baillie · Brodie, Sir Benjamin Collins · Acland, Sir Henry Wentworth · Banks, Sir John · Bennet, Sir James Risdon · Fayrer, Sir Joseph · Hewett, Sir Prescott Gardner · Kane, Sir Robert John · Erichsen, Sir John Eric · Corrigan, Sir Dominic John · Crawford, Sir Thomas · Duffey, Sir George Frederick

Pierer-1857: Hamilton [2] · Hamilton [3] · Hamilton [1] · Hamilton Ban · Hamilton Inlet

Roell-1912: Cincinnati-Hamilton und Dayton-Eisenbahn