Kepler, Johannes

[347] Kepler, Johannes, der berühmte Astronom, 1571-1630, ist nicht bloß durch seine fundamentalen Beiträge zur heliozentrischen Weltanschauung, sondern auch durch seine zielbewußte Methode des Forschens und durch verschiedene methodologisch-erkenntnistheoretische Bemerkungen in philosophischer Hinsicht bedeutsam.

K., der vom Pythagoreismus, von Plato, Proklos u. a. beeinflußt ist, und der auch ästhetische Voraussetzungen an die Natur heranbringt, geht in seinen Untersuchungen induktiv vor, wobei er aber die »Hypothese« (im Platonischen Sinne) als Voraussetzung einer befriedigenden Erklärung der Phänomene gebraucht. Die wahren Ursachen des Geschehens werden nicht passiv in uns aufgenommen, sondern der Geist wild durch die Wahrnehmung nur zur Entfaltung der in ihm schlummernden Ideen angeregt (Platos »Anamnesis«,). Die intellektuellen Harmonien, die wir in der Natur finden, sind in unserem Geiste bereits vorgebildet. Die geometrischen Gebilde sind als solche Erzeugnisse des Geistes selbst und zugleich für die Dinge gültig. Wo Materie, da ist auch Mathematik, alles hat Teil an der Quantität und nur die quantitative Erkenntnis ist wahre Erkenntnis: »Mundus participat quantitate, et mens hominis (res supramundana in mundo) nihil rectius intelligit quam ipsas quantitates, quibus percipiendis factus videri potest« (Epistol. d. harmon., Opp. V, 28). Die Quantität ist das primäre Attribut der Substanz (»primarium accidens substantiae«). K., der früher noch Planetenseelen angenommen hatte, führt später die Bewegungen der Planeten auf materielle Kräfte zurück und betrachtet die Weltordnung nach der Analogie eines göttlichen Uhrwerks. Als ein harmonisches Ganzes ist das Universum begrenzt, nicht unendlich.

SCHRIFTEN: Apologia Tychonis contra Ursum, 1597. – Astronomia nova, 1609. – Mysterium cosmographicum, 1596. – Harmonice mundi, 1619, u. a. – Opera, ed. Frisch, 1857-71. – Vgl. SIGWART, Kleine Schriften I. – EUCKEN, K. als Philosoph, Philos. Monatshefte, 1878. – CASSIRER, Das Erkenntnisproblem I. – J. SCHMIDT, K.s Erkenntnis- u. Methodenlehre, 1903.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 347.
Lizenz: