Moleschott, Jakob

[476] Moleschott, Jakob, geb. 1822 in Herzogenbusch, Professor der Physiologie in Zürich (seit 1856), Turin (seit 1861) und in Rom (seit 1879), gest. 1893 in Rom.

M., der von Feuerbach beeinflußt ist, vertritt nebst einem Empirismus den Mechanismus und Materialismus, zu dessen bedeutendsten Verkündern er gehört. Alle Erkenntnis beruht auf Erfahrung, auf denkender Zusammenfassung der Sinneswahrnehmungen. Alles Sein ist ein Sein durch Eigenschaften und jede[476] Eigenschaft besteht nur durch ein Verhältnis. Die Scheidewand zwischen den Dingen als Erscheinungen und dem Ding an sich soll, nach M., dadurch durchbrochen werden. Ein Gegenstand ist nur durch seine Beziehung zu anderen Gegenständen. Haben wir alle Eigenschaften der Dinge erkannt, die auf die entwickelten Sinne einen Eindruck zu machen vermögen, dann haben wir auch das Wesen der Dinge erfaßt.

Alles Naturgeschehen besteht in Bewegung der Grundstoffe. Die Unveränderlichkeit des Stoffvorrats begründet die Ewigkeit des Kreislaufes, denn der Stoff ist unsterblich. Die Bewegungsfähigkeit ist eine der allgemeinsten Eigenschaften des Stoffes. Die Kraft ist »kein stoßender Gott, kein von der stofflichen Grundlage getrenntes Wesen der Dinge. Sie ist des Stoffes unzertrennliche, ihm von Ewigkeit innewohnende Eigenschaft«. Überall gilt der Satz: »Kein Stoff ohne Kraft. Aber auch keine Kraft ohne Stoff.« Überall sind die Eigenschaften des Stoffes dieselben, daher gibt es keine besondere Lebenskraft. Die Organismen sind aus dem Anorganischen hervorgegangen und nur kompliziertere Stofformen. Auch die psychischen Vorgänge sind an den Stoff gebunden; ohne Gehirn, ohne Phosphor in diesem kein Gedanke. Das Denken ist eine Gehirnbewegung, eine »Umsetzung des Hirnstoffes«, eine »unzertrennliche Eigenschaft des Gehirns«. In der Welt ist alles streng gesetzlich bestimmt. So auch der Wille, der »notwendige Ausfluß eines durch äußere Einwirkungen bedingten Zustandes des Gehirns«.

SCHRIFTEN: Physiologie des Stoffwechsels, 1851. – Der Kreislauf des Lebens, 1852, 5. A. 1876-85 (Hauptwerk). – Die Einheit des Lebens, 1864, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 476-477.
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