Lewes, George Henry

[407] Lewes, George Henry, geb. 1817 in London, gest. 1878.

L. ist ein von Comte und Spencer beeinflußter evolutionistischer Positivist, der aber eine empirische, positive Metaphysik für möglich hält, in welcher das »Metempirische«, über die Erfahrung hinaus Liegende, vom Empirischen unterschieden wird. Das »Metempirische« ist das außerhalb der Grenzen möglicher Erfahrung Liegende (»whatever lies beyond the limits of possible experience«).[407]

Physik und Metaphysik haben es mit Dingen und deren Relationen zu tun, sofern sie erkennbar und ein Bestandteil unserer Welt sind; alles Unerkennbare ist zu eliminieren: »The scientific canon of excluding from calculation all incalculable data places Metaphysics on the same level with Physics.« In den Erscheinungen, die den Gegenstand der Erkenntnis bilden, manifestiert sich das Absolute. Das Absolute ist nicht eine unerkennbare Kraft, denn Kraft ist uns in der inneren Erfahrung durchaus bekannt. Objekte sind stets in Beziehung zu einem Subjekt gegeben, ein unwahrgenommenes Objekt ist eine Abstraktion vom Subjekt; das »Ding an sich« ist ein »metaphysischer Fetisch«. Die Dinge sind, was sie in ihren Relationen sind. Psychisches und Physisches sind die beiden Aspekte eines und desselben Wesens, stehen daher nicht in Wechselwirkung, sondern laufen einander parallel; die Seele ist keine Substanz, sondern der Zusammenhang des Erlebens selbst. Das Bewußtsein ist ein Epiphänomen des Nervenprozesses. Bewußtsein ist etwas Unableitbares, das Unbewußte nichts als der Nervenprozeß; neben dem Oberbewußtsein gibt es im Organismus niedere Bewußtseine. Durch Übung werden willkürliche Handlungen zu unbewußten Vorgängen mechanisiert. Das Seelenleben der Individuen ist vom sozialen Milieu abhängig, seinem Gefühlsleben wie seinem Intellekt nach: »The intellect and the conscience are social functions; and their special manifestations are rigorously determined by social statics.« Wie Spencer erklärt L. das Apriorische der Erkenntnis für instinktiv gewordene, ererbte Gattungserfahrung.

SCHRIFTEN: Biographical History of Philosophy, 1845-46, letzte Auflage 1880, deutsch 1871-76. – Comtes' Philosophy of the Positive Sciences, 1853. – Physiol. of Common Life, 1860; deutsch 1860. – Aristotle, 1864; deutsch 1866. – The Physical Basis of Mind, 1877. – Problems of Life and Mind, 1872-79 (Hauptwerk). – The Study of Psychology, 1879. – Consciousness and Unconsciousness, Mind II, 1877, u. a. – Vgl. L. CARRAU, La philosophie de L., Revue philos. II, 1876.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 407-408.
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