Haase, Andreas

[354] Haase, A. Andreas Haase, Edler von Wranau, wurde am 30. 8. 1804 in Prag geboren, wo sein Vater Gottlieb Haase als Buchhändler und Buchdrucker ansässig war. 1798 aus Halberstadt eingewandert, hatte sich Gottlieb Haase (geb. 1765, gest. 24. 2. 1824), durch Fleiß, Geschicklichkeit, Unternehmungssinn und kluge Benützung günstiger Umstände binnen wenigen Jahren vom einfachen Buchdruckergehilfen zum wohlhabenden Mann emporgearbeitet. Er ließ seinem Sohne eine sorgfältige humanistisch-wissenschaftliche Erziehung geben. Andreas Haase besuchte das Altstädter Gymnasium, dann nahm ihn der Vater in sein Geschäft und ließ ihn, damit er das Druckerfach auch in der Fremde und von der Pike auf kennen lerne, 1821 in Brünn in die Traßlersche Offizin als Setzer eintreten. In Brünn blieb er bis 1822 und kam dann in die väterliche Druckerei als Setzer. Ein Jahr später nahm ihn der Vater als Spediteur in die von ihm sehr schwunghaft betriebene Papierhandlung auf.

Zwanzig Jahre alt, übernahm Andreas Haase nach dem plötzlichen Tode seines Vaters, noch minorenn, mit seinem Bruder Ludwig Haase (geb. 1801) die Leitung des ausgedehnten Geschäftes. Die beiden Brüder überwanden alle Schwierigkeiten, die das weitverzweigte, komplizierte Geschäft, das damals aus Buchdruckerei, Papierhandlung, Steindruckerei, Schriftgießerei und Buchhandlung bestand, ihnen auferlegte und hielten durch angestrengte Arbeit dasselbe auf der Höhe.[354] Sie ließen es unter der handelsgerichtlich protokollierten Firma »Gottlieb Haase Söhne« eintragen.

Im Jahre 1827 übernahmen die Brüder den Verlag der offiziellen Prager Zeitung; im gleichen Jahre gründeten sie die »Unterhaltungsblätter«, die anfänglich nur zweimal in der Woche ausgegeben wurden und 1830 den Titel »Bohemia« annahmen, ein Blatt, das heute als ein Wahrzeichen deutschen Geistes und deutscher Arbeit aus den Wirren der böhmischen Kämpfe hervorragt. Neben den beiden Zeitungen erschienen 10 Kalender in deutscher und böhmischer Sprache, im Umfange von 10-22 Bogen und in einer jährlichen Gesamtauflage von über 200000 Exemplaren. Daneben verlegten sie das berühmte technische Wörterbuch von Karmarsch und Heeren und eine Prachtausgabe des Thomas a Kempis in Golddruck.

Ferner verdankt ihnen das Buchdruckgewerbe eine Reihe von technischen Errungenschaften, darunter das fr. Zt. Aufsehen erregende Verfahren, Oelgemälde auf der Buchdruckerpresse nachzuahmen.

Ludwig konzentrierte seine Kräfte auf das Technische der Buchdruckerei und des Papiergeschäfts (die Schriftgießerei und die Steindruckerei wurden vorläufig aufgegeben), Andreas Haase führte die Redaktionen und pflegte vor allem die vielen auswärtigen Beziehungen der Firma.

Unterdessen wuchsen die jüngeren Brüder heran. Gottlieb Haase (geb. 1809) hatte in Frankfurt a. M. den Buchhandel erlernt, Rudolph Haase (geb. 1811) sich der juridischen Laufbahn zugewendet; als sie 1831 großjährig erklärt wurden, traten sie mit ihrem Vermögen als Associés dem Hause Gottlieb Haase Söhne bei. Der Geschäftskreis desselben wurde durch die Erwerbung desselben wurde durch die Erwerbung der Kraußschen Buchhandlung in Prag erweitert, deren Leitung Gottlieb Haase übernahm. Eine noch wichtigere Erweiterung erfolgte 1832, indem Ludwig Haase eine vollständige Buchdruckerei, eingerichtet nach den neuesten Fortschritten der Typographie, im Ausland ankaufte und nach Prag überführte; es mußten Lokalitäten hierfür außer Hause gemietet werden und es stellte sich die Notwendigkeit heraus, die Druckerei durch die Errichtung einer Schriftgießerei zu unterstützen, um immer den nötigen Vorrat neuer eleganter Typen zu haben. 1835 wurde das Geschäft in den eigens für dasselbe erworbenen und zweckentsprechend umgebauten Annahof überführt.

1837 bot sich den Gebrüdern Haase, für die bei ihrem schwunghaften Druckereibetrieb und Papierhandel schon längst der Besitz einer eigenen Papierfabrik wünschenswert war, die Gelegenheit, in[355] dem Dorfe Wran eine Mühle zu kaufen, welche nun sofort zum Aufbau einer Maschinenpapierfabrik benutzt wurde. Ludwig Haase widmete sich gänzlich der Einrichtung und Leitung der neuen Fabrik und übersiedelte deshalb 1838 nach Wran; Andreas Haase dagegen übernahm die Leitung der Buchdruckerei und Schriftgießerei und wurde zugleich, nachdem er bereits seit langem die Firma Gottlieb Haase Söhne nach außen repräsentiert hatte, nun vollständig Chef des Hauses.

Andreas Haase war ein Mann von großer Geltung in Prag. Er entwickelte eine überaus große, gemeinnützige Thätigkeit, so als Obervorsteher des Prager Buchdrucker-Gremiums, Gemeinderepräsentant, Major des bürgerlichen Infanterie-Corps, Oberst der Prager Nationalgarde, Oberkommandant der gesamten böhmischen Nationalgarde, Bürgermeister-Stellvertreter, Stadtrat, Präsident einer Reihe industrieller und Bankunternehmungen, sowie der Handelskammer, endlich Landtagsabgeordneter. 1854 erhob ihn Kaiser Franz Joseph in den Adelsstand.

1863 zog sich Andreas Haase ins Privatleben zurück; er starb nicht viel später, am 26. 6. 1864. Die Söhne und Neffen Andreas Haases waren inzwischen alle in das Geschäft eingetreten, einige derselben standen schon einzelnen Geschäftszweigen als Dirigenten vor. So übernahm denn 1863 der dritte der vier Brüder, Gottlieb Haase, den Posten als Chef des Hauses, nachdem er die Leitung der Buchdruckerei und Lithographie, die er bisher geführt, seinem Neffen Guido Haase übergeben; die Schriftgießerei – bei ihrer geschäftlichen Verbindung mit dem Orient und den süd- und ost-slavischen Ländern einer der wichtigsten Geschäftszweige – führte bereits seit 1845 der jüngste Bruder Dr. Rudolph Haase. Das Geschäft, das 1872 in die Aktiengesellschaft »Bohemia« umgewandelt wurde, ist eines der bedeutensten der österreichischen Monarchie.

Quellen: Bohemia, 1864; Kreuzberg, Die Etablissements G. H. S. in Prag, 1854; Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisertums Oesterreich.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 354-356.
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